Hinwendung zum sozialen Engagement


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Für eine Ordination ins Pfarramt war Bonhoeffer nach seinem akademischen Aufstieg noch zu jung; so nutzte er 1930 ein Stipendium für einen einjährigen Studienaufenthalt am Union Seminary in New York. Dort lernte er die ethische Dimension christlicher Existenz kennen. So ließ einer der Professoren den Börsencrash von 1929 und die Weltwirtschaftskrise aus christlicher Sicht untersuchen.


Vor allem aber begegnete Bonhoeffer hier der Spiritualität der Abyssinian Baptist Church in Harlem, deren Gottesdienste er regelmäßig besuchte. Die dramatische Realität der Rassentrennung sollte ihn ebenso prägen wie das christliche Engagement und die Spiritual- und Gospel-Musik der Afro-Amerikaner. Die Schallplatten, die er davon mitbrachte, spielte er noch Jahre später in den Predigerseminaren vor. Der Eindruck, den ich von den heutigen Vertretern des social gospel empfangen habe, wird für mich auf lange Zeit hinaus bestimmend sein, schrieb er.


Nach seiner Ordination setzte Bonhoeffer zwar die akademische Theologie als Privatdozent fort und wirkte nebenbei als Studentenpfarrer, doch die soziale Dimension des Evangeliums erhielt nun vorrangige Bedeutung. 1931 wurde er Hilfsprediger an der Berliner Zionskirche und hatte mit einem völlig außer Kontrolle geratenen Konfirmandenjahrgang aus schwierigen sozialen Verhältnissen zu tun. Um vor Ort sein zu können, mietete er ein Zimmer in dieser Gegend. Allmählich gewann er das Vertrauen der Jungen. Er sorgte mithilfe seiner Mutter dafür, dass schließlich jeder einen ordentlichen Anzug bekam. Nach der Konfirmation fuhr er mit einem Teil der Gruppe in das Ferienhaus seiner Eltern in Friedrichsbrunn am Harz (Foto).


Im Frühsommer 1932 pachtete Bonhoeffer ca. 45 km außerhalb von Berlin in Biesenthal ein Grundstück und errichtete dort im Mai auf eigene Kosten eine Wochenendbaracke. Dort verbrachte er mit den Konfirmanden und seinen Studenten die Wochenenden mit Spielen, Sport, Wandern und Diskussionen.


Außerdem finanzierte Anneliese Schnurmann - eine jüdische Schulfreundin von Bonhoeffers jüngster Schwester Susanne - Bonhoeffers sozialpädagogische Arbeit in der Jugendstube für Erwerbslose, die im Herbst 1932 in Berlin-Charlottenburg eingerichtet wurde. Hier sollten Jugendliche mit einer möglichst nützlichen berufsvorbereitenden Beschäftigung begleitet werden, was ein für die damalige Zeit gänzlich neues Sozialprojekt darstellte. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten musste Bonhoeffer die Jugendstube 1933 wegen der zunehmenden Verfolgung der kommunistischen Jugendlichen allerdings auflösen.


Bonhoeffers Biograf Eberhard Bethge hat diese Phase als Lebenswende vom Theologen zum Christen bezeichnet.


Quelle / Titel


  • © by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

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