Illegale Theologenausbildung


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Um ihre Selbstständigkeit gegenüber der staatskonformen Kirche zu wahren, brauchte die Bekennende Kirche eigene theologische Bildungsstätten. Bonhoeffer war seit Frühjahr 1935 Gründungsdirektor des Berlin-Brandenburgischen Predigerseminars, um bekenntniskirchliche Vikare auf den Pfarrdienst vorzubereiten. Studieninspektor wurde Barths Schüler Wilhelm Rott.


Als Seminarstätte fand sich nach einer kurzen Startphase im pommerschen Zingst ein geschlossenes Schulhaus in Finkenwalde bei Stettin. Daneben wurde ein „Bruderhaus“ gegründet, in dem frühere Absolventen weiterhin in geistlicher Gemeinschaft lebten. Nachdem die Gestapo 1937 das Seminar versiegelte, weil es geeignet sei, Ansehen und Wohl des Staates zu gefährden, konnten die Kurse unter dem Deckmantel von Sammelvikariaten in hinterpommerschen Landgemeinden noch bis März 1940 heimlich fortgeführt werden.


Ein Finkenwalder Schüler, der spätere Bischof Albrecht Schönherr, beschrieb die Motivation 1981 so: Wir hatten alle das Risiko einer ziemlich ungesicherten Existenz auf uns genommen. Was uns hielt und trug, war die Überzeugung, daß die Bekenntnis-Synode von Barmen im Sommer 1934 mit ihren sechs Thesen die Wahrheit gesagt und daß die Synode von Dahlem im Herbst 1934 daraus die kirchlichen Folgerungen gezogen hatte.


Dahinter stand der Anspruch entschiedener Nachfolge Christi. Aus Finkenwalder Vorlesungen entstand in diesem Sinne Bonhoeffers Schrift „Nachfolge“, erschienen 1937: Einen anderen Führer als Christus, so lautete ihr Tenor, kann es nicht geben. Der Weg der radikalen Bekennenden Kirche, so riskant die Untergrundexistenz auch sein mochte, sollte die wahre Christusnachfolge sein.


Deshalb reagierte Bonhoeffer empört, wenn einzelne Vikare zu den staatskonformen Kirchenleitungen abwanderten, um sich dort legal prüfen und ordinieren zu lassen. Er schrieb: Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche trennt, trennt sich vom Heil. Dieser längere Aufsatz „Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft“ (Juni 1936) löste heftige Kritik aus. Schon witzelte man über diesen strengen Kurs: Wer keine rote Karte hat, kommt nicht in den Himmel (nach dem Mitgliedsausweis der Bekennenden Kirche). Bonhoeffers Radikalität drohte ihn und seine Schüler nun zu isolieren.


Quelle / Titel


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