Erste Darstellung der Shoa: Goes’ „Das Brandopfer“


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Elisabeth und Albrecht Goes waren sich einig in der Abscheu gegen den herrschenden Antisemitismus sowie die Gewaltexzesse der Nationalsozialisten gegen die Juden. Zur selben Zeit, als seine Frau nacheinander das Ehepaar Krakauer und zwei weitere jüdische Frauen zeitweise als „Bombenflüchtlinge aus Berlin“ getarnt beherbergte, erlebte Albrecht Goes als Lazarett- und Gefängnispfarrer in Ungarn die Deportation der bis zum März 1944 noch verschont gebliebenen dort lebenden Juden.


Im Jahr der Rückkehr aus dem Krieg, im Jahr 1945, verarbeitete Goes das Erlebte in der Erzählung „Begegnung in Ungarn“. Es ist die erste Darstellung der Shoa durch einen nicht jüdischen deutschen Schriftsteller, der früheste literarische Beitrag zur Erneuerung des Verhältnisses von Juden und Christen. Und noch während der Gebersheimer Zeit, im Jahr 1953, schrieb Albrecht Goes die Erzählung „Das Brandopfer“.


In mehr als zehn Sprachen übersetzt, eingegangen in die Pflichtlektüre der Schulen, wurde die Erzählung zu einem wichtigen und frühen Wegbereiter der Shoa-Erinnerung in Deutschland:


Da ist die Metzgersfrau Grete Walker, deren Geschäft zur „Judenmetze“ erklärt wird, in dem am Abend eines bestimmten Tages in der Woche Juden für ihre karge Fleischration Schlange stehen. Da ist deren Untermieterin und „Halbjüdin“ Sabine Berendson, die sich als „Arierin“ ausgibt und deren Vater gerade noch nach England emigrieren konnte. Und da ist der in sie verliebte Doktor S., Assistent an der Staatsbibliothek. Jeder auf seine Weise ahnt, erlebt und begreift Schritt um Schritt die Eskalation der Judenausgrenzung bis hin zur Verfolgung und Vernichtung.


Geschehenes beschwören, aber zu welchem Ende?, fragt der Schriftsteller Albrecht Goes im Vorspann. Und er gibt im Folgenden die Antwort: Nicht, damit der Hass dauere. Nur ein Zeichen gilt es aufzurichten im Gehorsam gegen das Zeichen des Ewigen, das lautet: ‚Bis hierher und nicht weiter.’ Ein Gedenkzeichen, geschrieben – wohin und für wen? Ach, in die Luft schreibt, wer ihrer gedenkt, ihrer, deren irdisches Teil vergangen ist, Staub und Asche in Erde und Wind. Man hat vergessen. Und es muss ja auch vergessen werden, denn wie könnte leben, wer nicht vergessen kann? Aber zuweilen muss einer da sein, der gedenkt. Denn hier ist mehr als Asche im Wind. Eine Flamme ist da. Die Welt würde erfrieren, wenn diese Flamme nicht wäre.


Quelle / Titel


  • © Buchtitel S. Fischer-Verlag, Frankfurt

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