Offenes Haus: Pfarrhaus Gebersheim


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Das Pfarrhaus von Gebersheim, einem Dorf von fünfhundert Einwohnern, lag am Ortsrand, ideal, um als „Bombenflüchtlinge aus Berlin“ getarnte Juden für eine überschaubare Zeit eine Bleibe zu ermöglichen. Das Pfarrhaus war ein offenes Haus, in dem viele Menschen ein und aus gingen und immer auch Gäste zu Besuch waren. Elisabeth Goes erinnert sich:


Die jüdischen Gäste brachte ich mal in der Dachkammer, mal im leer stehenden Arbeitszimmer meines Mannes unter. Und im Dorf erzählte ich, dass mich Freunde oder Verwandte besuchten. Das geschah in dieser Zeit ohnehin oft. Deshalb fielen meine besonderen Gäste niemandem richtig auf. Ansonsten hatte ich damals erstaunlich wenig Angst. Unser Pfarrhaus stand am Ende der Straße. Der Garten lag etwas erhöht und hinter einer großen Mauer versteckt, und die Besucher waren in der Regel sehr vorsichtig. Deshalb machte ich mir kaum Sorgen.“ [Handschriftliche Aufzeichnungen von Elisabeth Goes über jüdische Gäste in ihrem Haus. Im Besitz der Tochter, Frau Rose Kessler.]


Bewundernswert war dennoch der Mut der damals 33-jährigen Pfarrfrau. Sie hatte drei kleine Kinder, ihr Mann befand sich im Krieg und ihr oblag mehr oder weniger die Vertretung des Pfarramtes. Eine Schulfreundin der 1936 geborenen Tochter Brigitte, Elisabeth Faber, erinnert sich:


Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, was Frau Goes alles gemacht hat. Herr Pfarrer Goes war fünf Jahre im Krieg und so war nur am Sonntag der Pfarrer aus Höfingen zum Predigen da. Aber was an so einem Dorfpfarramt alles zu erledigen war, musste sie tun. Da war die Kinderkirche. Frau Goes konnte herrlich erzählen, sodass man sich die Geschichten aus der Bibel so richtig vorstellen konnte. Dann der Mädchenkreis, der immer im Wohnzimmer bei Pfarrers stattfand, und oft hatte sie für uns etwas Besonderes vorbereitet. Man muss bedenken, es gab ja damals nichts zu kaufen. So bastelten wir aus alten Stoffen oder Papier irgendetwas Hübsches. Es wurde musiziert und immer wurde viel gesungen. Es kam auch vor, dass sie die Glocke läuten musste und auch die Orgel spielen. Dann war da der Pfarrgarten zu versorgen und das große Pfarrhaus in Ordnung zu halten. Manchmal ging sie noch mit den Bauern auf das Feld zum Hacken oder Kartoffeln auflesen oder auch Hopfen zopfen. [Aus einem Vortrag von Elisabeth Faber, Gebersheim, über Elisabeth Goes auf dem Bezirksfrauentag am 18. Februar 1995 im Haus der Begegnung, Leonberg]


Quelle / Titel


  • © Foto: Eberhard Röhm, Leonberg

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