Walter Hildmann: Wider das Sterben im Krieg


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Walter Hildmann (1910–1940) gehörte zu den wenigen bayerischen Geistlichen, die es wagten, die Verhältnisse im NS-Staat öffentlich zu kritisieren. Er stammte aus einer Pfarrfamilie im Unterallgäu. Während seiner letzten Schuljahre in Kempten freundete er sich mit Helmut Gollwitzer (1908–1993) an, der während der NS-Herrschaft zu einem Exponenten der altpreußischen Bekennenden Kirche wurde. Befreundet war Hildmann auch mit dem berühmten Liederdichter Jochen Klepper (1903–1942), der eine Christin jüdischer Herkunft heiratete und wegen der nationalsozialistischen Judenverfolgung mit seiner Familie in den Freitod ging.


Während seines Theologiestudiums wurde Hildmann u. a. durch die Theologie Karl Barths (1886–1968) beeinflusst. Prägenden Einfluss übte auf ihn aber vor allem das Vorbild Johann Christoph Blumhardts (1805–1880) und seines Sohnes Christoph Blumhardt (1842–1919) aus.


Nach seinem 1. Theologischen Examen 1935 war Hildmann zunächst als Vikar in Augsburg und Religionslehrer in München tätig. Seit Februar 1936 baute er als Privatvikar des Starnberger Pfarrers selbstständig die evangelische Kirchengemeinde in Gauting bei München auf. Sein Ziel war eine mündige Gemeinde. Dazu führte er zahlreiche Neuerungen wie z. B. Hausbibelstunden ein. Hildmann bemühte sich besonders um die christliche Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Schul- und Konfirmandenunterricht. Durch seine hervorragende Predigt- und Diskussionsbegabung gewann er in und über Gauting hinaus schnell auch kirchenferne gebildete Schichten.


Hatte Hildmann während seines Studiums noch mit nationalistischen Strömungen geliebäugelt, wandte er sich während der NS-Herrschaft der von Karl Barth geprägten "radikalen" Bekennenden Kirche zu. Er war Mitglied der bayerischen Pfarrerbruderschaft und kritisierte wiederholt das kompromissbereite Verhalten der bayerischen Kirchenleitung gegenüber dem NS-Staat. Hildmann selbst blieb dem Staat gegenüber zwar grundsätzlich loyal, äußerte sich in Unterricht und Predigt aber immer häufiger ablehnend zur Kirchenpolitik und zum ideologischen Totalitätsanspruch der Nationalsozialisten. Auf die Konsequenzen, die ihm auf Grund seiner freimütigen Äußerungen drohten, nahm er kaum Rücksicht.


Von überzeugt nationalsozialistischen Gemeindegliedern wurde Hildmann mehrfach bei der Gestapo, aber auch bei der Kirchenleitung denunziert. Besonders gefährdet war er durch seine Unterrichtstätigkeit. So wurde er schon 1935 angezeigt, weil er sich im Religionsunterricht kritisch zum Chefideologen der NSDAP Alfred Rosenberg (1893–1946) geäußert und dabei die Juden in Schutz genommen hatte. Im Juli 1937 ging eine Beschwerde beim Landeskirchenrat ein, weil er in der gottesdienstlichen Fürbitte die Liste der verhafteten und gemaßregelten Pfarrer verlesen hatte. Wiederholt musste er sich bei seinen kirchlichen Vorgesetzten für sein Verhalten rechtfertigen; die Kirchenleitung stellte sich aber auch immer wieder schützend vor ihn.


Nachdem 1937 ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das „Heimtückegesetz“ beim Sondergericht München eingestellt worden war, zeigte die Gautinger Vorsteherin der NS-Frauenschaft Hildmann wegen pazifistischer Propaganda an. Auch dieses Verfahren wurde eingestellt, weil seine Äußerung, es könne niemals Gotteswille gewesen sein, daß die Menschen sich in Kriegen umbrächten, nicht bewiesen werden konnte (Zitat nach B. Mensing, Rücksicht, 336). Als er gemeinsam mit Pfarrer Kurt Frör und anderen ein Flugblatt über den Prozess und die Verschleppung Martin Niemöllers in das Konzentrationslager verbreitete, wurde er im Mai 1938 erneut denunziert. Diesmal hatte die Anzeige für ihn fatale Folgen.


Hausdurchsuchung, Verhaftung und Verhör zwangen ihn, sein 2. Theologisches Examen abzubrechen. Die NS-Machthaber legten Hildmann besonders seine Äußerung zur Last, dass es dem heutigen Staat ... weniger um das Recht, sondern vielmehr um die Macht zu tun sei (zitiert nach B. Mensing, Rücksicht, 337). In Folge des Verfahrens erhielt er das Verbot, eine Jugendbibelfreizeit durchzuführen. Vor allem aber wurde ihm im November 1938 die Erlaubnis zur Erteilung von Religionsunterricht entzogen. Jetzt sah sich auch die Kirchenleitung zum Handeln veranlasst. Als im Januar 1939 ein Gautinger Kirchenvorsteher den Landeskirchenrat auf den angegriffenen Gesundheitszustand Hildmanns hinwies, wurde er mit sofortiger Wirkung beurlaubt.


Diese wohl auch zu seinem eigenen Schutz erfolgte Beurlaubung wurde noch mehrfach verlängert, allerdings ohne Bezahlung. Im März 1939 ersetzte die Kirchenleitung Hildmann in Gauting durch einen anderen Vikar. Als er beim Prozess im Juni 1939 zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde, erwirkte Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) einen Strafaufschub. Im August 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und nahm am Polenfeldzug teil. 1940 wurde ihm seine Strafe erlassen. Im gleichen Jahr erhielt er den Marschbefehl nach Frankreich, wo er am 28. Mai 1940 bei Abbeville ums Leben kam. Sein Leichnam wurde niemals gefunden.


Quelle / Titel


  • © 1+2: Privatbesitz Familie Hildmann, Tutzing

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