Karl Barth und die Anfänge einer kirchlichen Opposition


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Die Herausbildung einer kirchlichen Opposition innerhalb der evangelischen Kirche ist durch eine aufsehenerregende Schrift, die am 1. Juli 1933 veröffentlicht wurde, entscheidend forciert worden. Sie stammte aus der Feder des Bonner Theologieprofessors Karl Barth und trug den Titel „Theologische Existenz heute!“. Auf Drängen seiner Anhängerschaft nahm Barth darin erstmals zur kirchlichen Lage im Rahmen der neuen politischen Verhältnisse Stellung.


Der Text entstand in einem Wurf, binnen 24 Stunden lag das Manuskript vor. Der Text hatte den Zuschnitt eines Manifestes und veränderte die kirchliche Lage nachhaltig. Entschieden wendet sich Barth darin gegen die Deutschen Christen und ihr Bestreben, die evangelische Kirche im Sinne des Nationalsozialismus zu politisieren. Barth fordert die radikale Abkehr von dieser Politisierung der Kirche. Diejenigen, die sich als Teil einer Glaubensbewegung, nicht mit theologischen Argumenten, sondern mit den gewaltsamen Mitteln einer politischen Massenversammlung stilisierten, lokalisiert der Theologe im Mülleimer des jetzt so viel gescholtenen 18. und 19. Jahrhunderts.


Doch Barth geht noch weiter und kritisiert auch das Vorgehen der Jungreformatorischen Bewegung. Hinter deren Einsatz in der Reichsbischofsfrage erkennt er ein plumpes Nachahmen des staatlichen Führerprinzips. Die fehlende theologische Begründung habe in der evangelischen Kirche zu einem katholischen Episkopalismus geführt und sei ein Zeichen der theologischen Verwilderung in Deutschland.


Als Ergebnis unterstreicht Barth am Ende der Schrift die Notwendigkeit nicht für ein kirchenpolitisches, sondern für ein geistliches Widerstandszentrum. Nachdrücklich macht er sich für eine Besinnung auf Bibel und Bekenntnis als die zentralen Aufgaben der Kirche stark. Insbesondere dieser Hinweis Barths hat den weiteren Verlauf der kirchlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus stark beeinflusst.


Barths Schrift traf den Nerv der Zeit, bis zur Beschlagnahme im Jahr darauf hatte der Kaiser-Verlag 37.000 Exemplare aufgelegt. Die Schrift riss viele evangelische Christen aus ihrem nationalen Taumel. Nach der von den Deutschen Christen gewonnenen Kirchenwahl ermunterte die Schrift die oppositionellen Kräfte, nicht zu resignieren. Mit großer Intensität nahm man fortan den Impuls Barths auf und setzte die Bekenntnisfrage auf die Agenda der Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen. Der Streit darüber gewann seither sukzessive an Dynamik. Die NSDAP hielt daraufhin ihre einseitige Unterstützung der Deutschen Christen nicht länger aufrecht und zog sich auf den „Neutralitätsgrundsatz“ zurück.


Quelle / Titel


  • ©Universitätsbibliothek München

Verwandte Inhalte