Karl-Heinz Becker: Kein Rassenhass in der Kirche


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Nach dem sogenannten Sportpalastskandal der Deutschen Christen am 13. November 1933 forderte der bayerische Pfarrerverein seine Mitglieder auf, der Bedrohung des kirchlichen Bekenntnisses durch die Erneuerung ihres Ordinationsgelübdes und durch eine Gehorsamsverpflichtung gegenüber Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) zu begegnen. Dem fränkischen Pfarrer Karl-Heinz Becker (1900–1968) war dies zu wenig. Er verlangte, die Bekenntnisverletzungen klar beim Namen zu nennen und zurückzuweisen. Seine Forderung zielte hauptsächlich auf die Anwendung des sogenannten Arierparagrafen im Raum der Kirche.


Um sein Anliegen bei Landesbischof Meiser durchzusetzen, versuchte Becker am 17. November 1933, den Sonderbeauftragten des Landesbischofs für Volksmission, Pfarrer Helmut Kern (1892–1941), als Verbündeten zu gewinnen. Konkret sollte Meiser dazu bewegt werden, die Aufhebung der bekenntniswidrigen Pensionierungen von „nichtarischen“ Pfarrern zu fordern und sich für Berliner Pfarrer einzusetzen, die wegen Kritik am Arierparagrafen ihres Amtes enthoben worden waren. Außerdem sollte Meiser auf den Widerspruch aufmerksam machen, dass die Partei sich in ihrem Programm zum sogenannten positiven Christentum bekannte, während sie in ihren Schulungen zugleich Alfred Rosenbergs (1893–1946) „Mythus des 20. Jahrhunderts“ verwendete.


Becker stieß bei Kern jedoch auf formale und inhaltliche Bedenken. Kern, der für völkisches Gedankengut offen war, erklärte beschwichtigend, der Arierparagraf sei kein bekenntnisrelevantes Problem, zu dem der Landesbischof Stellung beziehen müsse. Unter Berufung auf Karl Barth (1886–1968) beharrte Becker dagegen auf dem Standpunkt, dass die Gültigkeit von Taufe und Ordination keinen biologisch-zeitbedingten Vorbehalten unterliege. Den Argumenten Barths vermochte Kern nur mit einer Mischung aus Anti-Intellektualismus, nationaler Gefühligkeit und lutherischer Polemik gegen einen Reformierten zu widersprechen.


Nach dem Briefwechsel mit Kern fasste Becker am Jahresbeginn 1934 sein Urteil über die NS-Rassenpolitik und ihr Eindringen in die Kirche in der Schrift „Judenchristliche Gemeinden?“ zusammen. Diese Schrift stellte eine stark ethisch orientierte Auseinandersetzung mit der NS-Rassenpolitik und dem Verhalten der deutschen evangelischen Kirchen dar (A. Töllner, Frage, 88).


Zu Beginn monierte Becker, dass die Forderung der Deutschen Christen nach judenchristlichen Sondergemeinden – obwohl von der Bevölkerung nicht gewünscht – in der Kirche bislang nicht auf die gebotene Ablehnung stoße und es in der bayerischen Landeskirche sogar zustimmende Voten gebe. Dazu wies er auf eine Aussage des Erlanger Theologieprofessors Friedrich Ulmer (1877–1946) und seine Korrespondenz mit Kern hin. Demgegenüber betonte Becker unter Hinweis auf Karl Barth und die Verfassung der Reichskirche, dass die Einführung des Arierparagrafen im Raum der Kirche nicht nur äußere Fragen der Kirchenorganisation, sondern das Bekenntnis selbst berühre.


In einer keineswegs konsequenten Beweisführung betonte Becker ferner, dass getaufte Juden Angehörige des deutschen Volkes und nicht mehr des jüdischen seien. Er problematisierte jedoch selbst die Rede vom „jüdischen Volk“ und erklärte dazu, dass die heutigen Juden kein Volk, sondern eine Religionsgemeinschaft seien. In Deutschland würden diese Menschen durch ihren Ausschluss aus der Volksgemeinschaft in die unhaltbare Lage versetzt, quasi als ein zweites deutsches Volk innerhalb der deutschen Staatsgrenzen leben zu müssen.


Becker wies auch darauf hin, dass entsprechende Forderungen an die katholische Kirche nicht erhoben würden. Im Vorgriff auf die Thesen der Barmer Theologischen Erklärung erklärte er, die Errichtung judenchristlicher Gemeinden stelle einen Verrat am Herrn der Kirche dar. Sie sei ein Beweis dafür, dass die Kirche andere Gesichtspunkte höher schätze als das Wort Gottes. Ein Pfarrer aber, der gegen solche Pläne keinen Widerstand leiste, breche sein Ordinationsgelübde.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Pers. LVIII, Nr. 16

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