Verweigerung des Treueides
Im August 1934 forderte die von den Deutschen Christen beherrschte Synode der Reichskirche erstmals einen Treueid der Pfarrer und Kirchenbeamten auf Hitler. Damit sollte die Bindung der Kirche an den NS-Staat demonstriert werden. Einen solchen Eid lehnte die Bekennende Kirche jedoch ab. Wie die übrigen Vertreter der Bekennenden Kirche stimmten die bayerischen Synodalen auf der Reichskirchensynode gegen das entsprechende Gesetz.
Auch die bayerische Kirchenleitung unter Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) sprach sich gegen den Eid aus. In einer Bekanntmachung vom 21. August 1934 bezeichnete sie den Eid als unlutherisch und unevangelisch. Wegen des Widerstandes aus der Bekennenden Kirche musste die deutschchristliche Reichskirchenleitung die Eidesforderung schließlich stillschweigend fallenlassen.
In der nationalen Euphorie nach dem „Anschluss“ Österreichs forderten die Deutschen Christen im Frühjahr 1938 erneut den Treueid auf Hitler und erließen in der Reichskirche und den von ihnen regierten Landeskirchen entsprechende Gesetze.
Die Bekennende Kirche geriet dadurch in eine schwierige Lage, da sie sich nicht dem Vorwurf nationaler Unzuverlässigkeit aussetzen wollte. Zudem nahm sie an, der Eid würde vom Staat selbst erwartet; ein vom Staat geforderter Eid aber schien nach kirchlichem Bekenntnis legitim zu sein: So hatte es schon in der Bekanntmachung der bayerischen Kirchenleitung vom August 1934 geheißen, der Staat könne in seinem Bereich mit Recht von seinen Untertanen ein Eid fordern. Dies gelte auch für Pfarrer, sofern sie im Dienste der Volkskirche Träger allgemeiner oder besonderer staatlich anerkannter oder verliehener öffentlicher Funktionen seien (Amtsblatt für die Ev.-Luth. Kirche in Bayern 1934, 119).
Die kleine Gruppe der bayerischen Deutschen Christen eilte der bayerischen Kirchenleitung voraus und ließ sich von den radikalen Thüringer Deutschen Christen vereidigen. Mit Kirchengesetz vom 18. Mai 1938 verpflichtete die Kirchenleitung dann alle bayerischen Pfarrer zur Ablegung des Eides. Die Eidesformel lautete: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und Gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe (Amtsblatt für die Ev.-Luth. Kirche in Bayern 1938, 95).
Dieses Gesetz brachte viele Pfarrer in Gewissensnot, so dass die Pfarrerbruderschaft den Landesbischof bat, das Gesetz zurückzuziehen. Als Meiser jedoch auf die Erwartung des Staates und mögliche Folgen einer Verweigerung hinwies, legten fast alle bayerischen Pfarrer den Eid ab.
Zu der Minderheit von bayerischen Pfarrern, die den Eid verweigerten, gehörte auch Karl Steinbauer. Er warnte Landesbischof Meiser in einem Schreiben vom 17. Mai 1938 noch dringend davor, die Eidfrage auf dem Gesetzesweg zu erledigen. Dabei berief er sich auf die klare Absage, die die bayerische Kirchenleitung dem Treueid auf Hitler bereits im August 1934 erteilt hatte, und wies Meiser darauf hin, dass ein Eid im nationalsozialistischen Staat eine ganz ganz ernste Sache sei, die nicht so erledigt werden kann, als schrieben wir etwa das Jahr 1913 oder 1800 so und so viel. Er bat den Landesbischof, die Eidfrage vor einer Regelung durch die Kirchenleitung zunächst von den Gemeindepfarrern beraten zu lassen.
Einen Tag später jedoch erließen Landeskirchenrat und Landesbischof das Kirchengesetz über den Treueid der Pfarrer. Kurz danach forderte Steinbauer Landesbischof Meiser auf einer Sitzung der bayerischen Pfarrerbruderschaft in Nürnberg dazu auf, das Dokument zu zeigen, das von uns Pfarrern verlangt, einen Treueid auf Staat und Führer zu leisten. Den Tatsachen entsprechend konnte Meiser darauf nur antworten, daß die Kirchenleitung „den Eindruck habe“, daß ein Eid auf den Führer erwünscht sei; die Pfarrer dürften aber versichert sein, daß ... in der Eidessache nichts Unpsychologisches von ihnen verlangt würde (K. Steinbauer, Zeugnis 3, 123). Steinbauer reagierte darauf mit Empörung und protestierte am 12. Juni 1938 schriftlich beim Landeskirchenrat:
Es ist unerhört, uns nach ausführlichen grundsätzlichen theologischen Überlegungen mit Psychologie zu traktieren. … Ich … lasse mich nicht mit Psychologie traktieren, wo es um Theologie geht. Er warf der Kirchenleitung vor, mit ihrem kompromissbereiten Verhalten gegenüber dem NS-Staat den lebendigen Herrn der Kirche in Pension zu schicken, anstatt alles dem Herrn in die Hände zu geben und nicht in menschlicher Verantwortlichkeitstuerei töricht und anmaßend unverantwortlich zu werden und Gott ins Handwerk pfuschen zu wollen (K. Steinbauer, Zeugnis 3, 125–132).
Steinbauer protestierte noch mehrfach bei Landesbischof Meiser, konnte jedoch nichts erreichen. Als er Ende Juni 1938 von seinem Vorgesetzten zur Ablegung des Eides aufgefordert wurde, ignorierte er diese Anordnung.
Wenige Wochen später wurde durch ein Rundschreiben des Stabsleiters im Amt des Stellvertreters Hitlers, Martin Bormann (1900–1945), an die Gauleiter bekannt, dass der NS-Staat tatsächlich überhaupt kein Interesse an der Vereidigung der Pfarrer hatte. Damit war die bayerische Kirchenleitung ebenso bloßgestellt wie die gesamte Bekennende Kirche Deutschlands, die ihren Pfarrern nach zermürbenden Auseinandersetzungen schließlich die Ablegung des Eides freigestellt hatte.
Quelle / Titel
- © Privatbesitz Elisabeth Giesen geb. Steinbauer, Köln