Gerhard Günther: Landeskirche entlässt NS-Gegner


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Pfarrer Gerhard Günther (1903–1944) erkannte schon früh die Unvereinbarkeit von christlicher Kirche und nationalsozialistischer Weltanschauung. Nach seinem Theologiestudium in Erlangen und Leipzig wurde er 1926 Kandidat am Predigerseminar Nürnberg, wo ihm der damalige Seminardirektor Hans Meiser (1881–1956) Neigung zur Kritik attestierte. 1927 wurde er Stadtvikar in Würzburg, bevor er 1929 eine Pfarrstelle in Weingartsgreuth im Dekanatsbezirk Bamberg übernahm. Dort kam es schnell zu schweren Konflikten mit den örtlichen Nationalsozialisten. Als sie im März 1933 mit politischen Unruhen rechneten, planten sie, Günther im Fall blutiger Auseinandersetzungen als ihren Hauptgegner zu erschießen.


Ab 1934 bewarb sich Günther auf andere Pfarrstellen. Seine Bewerbungen scheiterten jedoch, weil seine Haltung zum Nationalsozialismus von vornherein Konflikte befürchten ließ. Erst 1937 wurde ihm eine Pfarrstelle in Murnau verliehen. Innerhalb weniger Monate kam es auch dort zum Zerwürfnis mit den nationalsozialistischen Gemeindegliedern. Der 2. Bürgermeister warf ihm – zu Unrecht – schon bei seiner Antrittspredigt vor, sie habe geheime Angriffe gegen den Staat enthalten. Als er dann Schriften in Umlauf brachte, die seiner Gemeinde die kirchen- und christentumsfeindliche Politik der Nationalsozialisten verdeutlichen sollten, wurde er denunziert und von der Gestapo verhört. Das Strafverfahren beim Sondergericht in München wurde jedoch im Mai 1938 eingestellt.


Im Frühjahr 1938 trat ein Mitglied des mehrheitlich mit Nationalsozialisten besetzten Murnauer Kirchenvorstands von seinem Amt zurück, nachdem Günther sich kritisch zum „Anschluss“ Österreichs geäußert hatte. Auch andere Kirchenvorsteher drohten mit ihrem Rücktritt. Sie warfen Günther vor, das „Dritte Reich“ abzulehnen und sich bei jeder Gelegenheit negativ zu politischen Fragen zu äußern. Zugleich kam es auch zu Auseinandersetzungen wegen seines Religionsunterrichts an der Höheren Mädchenschule. Günthers kirchliche Vorgesetzte schlichteten den Streit mit dem Kirchenvorstand und verhinderten weitere Austritte. Dabei lasteten sie Günther undiplomatisches und uneinsichtiges Verhalten an, mit dem er die Gemeinde zu zerstören drohe.


1938 kam es auch zur Konfrontation mit der Kirchenleitung. Als die bayerischen Pfarrer im Mai durch Kirchengesetz zum Treueid auf Hitler verpflichtet wurden, verweigerte Günther den Eid, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch geraten ist (Brief an das Dekanat Ingolstadt vom 30. Juni 1938, zitiert nach: Kirche unterm Hakenkreuz, 67). Im Herbst 1938 distanzierte sich Landesbischof Hans Meiser auf Druck des Reichskirchenministeriums wegen der „Gebetsliturgie anlässlich drohender Kriegsgefahr“ von der 2. Vorläufigen Kirchenleitung. Günther beurteilte dieses Verhalten als geistliches Versagen der bestellten Hüter der Kirche, die durch die Rücksicht auf die Erhaltung zeitlicher Güter immer wieder verleitet würde, sich des Zeugnisses ihres Herrn und seiner Gebundenen zu schämen (zitiert nach: Kirche unterm Hakenkreuz, 68).


Nachdem Günther sich einem befreundeten Gemeindeglied gegenüber kritisch zu politischen Fragen geäußert hatte, wurde er von diesem im November 1939 wegen staatsfeindlicher Propaganda und Landesverrat beim Kreisdekan denunziert. Die Lage war um so bedrohlicher, als das Gemeindeglied ursprünglich beabsichtigt hatte, auch politische Stellen in Berlin zu informieren. Die Kirchenleitung leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren ein, entließ Günther aus dem Dienst und zog auch seine Ordinationsurkunde ein, womit er seinen Status als Pfarrer verlor. Nach einem Sanatoriumsaufenthalt wurde er als landwirtschaftlicher Arbeiter und Seelsorgehelfer in einer Zweigstelle der Rummelsberger Anstalten bei Nürnberg eingesetzt. Zugleich wurde ihm dringend geraten, sich zum Wehrdienst zu melden.


Die Maßnahmen der Kirchenleitung sollten dem Schutz Günthers dienen, nicht weniger aber auch den Bestand der intakten Landeskirche sichern. Auch in anderen Fällen, bei denen Pfarrer in offenen Konflikt mit dem NS-Staat gerieten, versuchte der Landeskirchenrat, die Pfarrer aus der Schusslinie zu nehmen. Meist blieb es aber bei Versetzungen. Günther bezahlte letztlich mit seinem Leben: Nachdem er 1940 zur Wehrmacht eingezogen worden war und dann am Russlandfeldzug teilgenommen hatte, geriet er 1944 in russische Kriegsgefangenschaft und starb am 26. Dezember 1944 im Kriegsgefangenenlager Tiflis. Der Landeskirchenrat verlieh ihm in Abwesenheit im April 1945 die Pfarrstelle Greiselbach. Sein Tod wurde erst 1949 bekannt.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, LKR 51073 (1), KrD Ansbach 5424 (2)

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