Pfarrer: Protest gegen den Kurs der Kirchenleitung


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Im Januar 1936 kritisierte eine Gruppe südbayerischer Pfarrer scharf den Kurs der bayerischen Kirchenleitung. Anlass waren die Auseinandersetzungen um die sogenannten Kirchenausschüsse, die Reichskirchenminister Hanns Kerrl (1887–1941) in der Reichskirche und in zahlreichen Landeskirchen seit Herbst 1935 als Kirchenleitungen einsetzte. Die bayerische Kirchenleitung lehnte einen solchen Ausschuss für die eigene Landeskirche zwar ab, stimmte der Einsetzung von Kirchenausschüssen in den von Deutschen Christen beherrschten zerstörten Landeskirchen jedoch zu. Dies führte zu schweren Konflikten mit den Bruderräten dieser Kirchen, die die Kirchenleitung für sich beanspruchten und dem Staat das Recht bestritten, Kirchenleitungen einzusetzen.


Diese Konflikte bedrohten die Einheit der Bekennenden Kirche und spalteten auch ihr oberstes Leitungsgremium, die Erste Vorläufige Kirchenleitung, deren Mehrheit zu einer bedingten Zusammenarbeit mit den staatlich eingesetzten Kirchenausschüssen bereit war. Anfang Januar 1936 kam es zum Bruch zwischen den Bruderräten in den zerstörten Kirchen und den Bischöfen der intakten Landeskirchen von Bayern, Hannover und Württemberg: Bei einer Kampfabstimmung im Reichsbruderrat wurde mit 17 gegen 11 Stimmen beschlossen, dass eine Anerkennung der Kirchenausschüsse mit der Barmer Theologischen Erklärung unvereinbar sei. Die Erste Vorläufige Kirchenleitung wurde faktisch abgesetzt.


Über diese Vorgänge unterrichtete die bayerische Kirchenleitung die Geistlichen und Religionslehrer in zwei Rundschreiben vom 9. und 13. Januar 1936 und legte dabei die Gründe für ihre Zustimmung zu den Kirchenausschüssen dar. Dazu erklärte sie, dass ohne staatliches Eingreifen in der Kirche keine Ruhe und Ordnung mehr eintreten werde. Zudem hätten die Kirchenausschüsse bisher positive Aufbauarbeit geleistet. Die Schuld an dem im Reichsbruderrat vollzogenen Bruch wies sie den Bruderräten zu, die auf Basis der Beschlüsse der Bekenntnissynoden – allen voran der Barmer Theologischen Erklärung – eine völlig neue Kirche bauen wollten, in der die Unterschiede zwischen lutherischem und reformiertem Bekenntnis in unzulässiger Weise nivelliert würden.


Die ebenso wie die Bruderräte von der Theologie Karl Barths (1886–1968) geprägten südbayerischen Pfarrer warfen der Kirchenleitung daraufhin in zwei an Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) und den Landeskirchenrat gerichteten Schreiben vor, landeskirchlichen Partikularismus zu betreiben, die Beschlüsse der Bekenntnissynoden und die Gemeinschaft der Bekennenden Kirche zu verraten und gegen den Grundsatz lutherischer Kirchenordnung zu verstoßen, dass ein staatliches oder halbstaatliches Kirchenregiment untragbar sei. Vor allem aber erinnerten sie den Landesbischof daran, dass der heute geforderte Dienst an Volk und Staat nur so geschehen könne, dass die Kirche nicht mehr um sich und ihren Bestand, ihre Ordnung und ihre Ehre, ihre Wohlfahrt, und ihre Zukunft streitet.


Diese Kritik traf die Kernpunkte des Kurses der bayerischen Kirchenleitung unter Landesbischof Meiser, der vor allem auf den Erhalt der Selbstständigkeit der bayerischen Landeskirche, den Schutz ihrer Bediensteten und eine Kirchengemeinschaft ausschließlich mit lutherischen Kirchen bedacht war. Eine Änderung dieses Kurses erreichten die Pfarrer nicht. Vielmehr lehnte die bayerische Kirchenleitung nach der endgültigen Spaltung der Bekennenden Kirche auf der 4. Reichsbekenntnissynode in Bad Oeynhausen im Februar 1936 eine Beteiligung an der neu gewählten, Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung strikt ab und trug maßgeblich zur Gründung des „Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands“ (Lutherrat) als eigene Leitung der bekennenden lutherischen Kirchen bei.


Quelle / Titel


  • © Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, A 30.28

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