Hans Meiser: Abwehr eines Kirchenausschusses


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In den Jahren 1933/34 war es Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) gelungen, die Machtansprüche der bayerischen Deutschen Christen zurückzuweisen und die überwältigende Mehrheit der Pfarrer und Gemeinden hinter sich zu sammeln. Zum Jahreswechsel 1934/35 begannen die bayerischen Deutschen Christen jedoch, sich neu zu formieren und Ortsgruppen zu gründen. Ihr erklärtes Ziel war es auch weiterhin, die Kirchenleitung unter Landesbischof Meiser zu stürzen und selbst die Macht zu übernehmen. Um die Gemeinden vor der NS-Ideologie der Deutschen Christen zu schützen, regte Meiser die Gründung von Bekenntnisgemeinschaften an, deren Mitglieder sich auf Bekenntnis und Ordnung der Landeskirche verpflichteten.


Die Zahl dieser Bekenntnisgemeinschaften betrug schon bald das 10–20fache der Ortsgruppen der Deutschen Christen. Obwohl die Mitgliederzahl der bayerischen Deutschen Christen mit weniger als 15.000 bei einer Gesamtzahl von mehr als 1,6 Millionen Kirchenmitgliedern verschwindend gering blieb, wurden sie 1935 erneut zu einer Gefahr für die Kirchenleitung unter Meiser. Denn im Herbst begann NS-Reichskirchenminister Hanns Kerrl (1887–1941) damit, in der Reichskirche und in den zerstörten Landeskirchen sogenannte Kirchenausschüsse einzusetzen, die die Leitung der betroffenen Kirchen übernahmen und die bisherigen Kirchenleitungen entmachteten. An diesen Ausschüssen waren auch Deutsche Christen beteiligt. Die bayerischen Deutschen Christen arbeiteten nun darauf hin, dass auch in Bayern ein Kirchenausschuss gebildet wurde.


Dies hätte den Sturz der bayerischen Kirchenleitung bedeutet. Deshalb versuchte Meiser, die Bildung eines solchen Ausschusses zu verhindern. Dabei musste er sich gegen den Willen des Reichskirchenministers durchsetzen, der neben der Einsetzung eines Ausschusses auch die Aufhebung der von der Kirchenleitung gegen Deutsche Christen verhängten Disziplinarmaßnahmen und die freie Entfaltung ihrer Arbeit in der Landeskirche verlangte.


Am 10. November 1935 fand eine Besprechung statt, bei der Meiser dem Minister gegenüber definitiv klarstellte, dass an eine Befriedung innerhalb der bayerischen Landeskirche nur gedacht werden könne, wenn in bezug auf die Bekenntnisfrage zwischen uns (= der Kirchenleitung) und den Deutschen Christen restlose Klarheit herrscht. Für den Fall der Einsetzung eines Kirchenausschusses kündigte Meiser größten Widerstand an.


Im Dezember verlangte der Minister von Meiser dann ultimativ die bedingungslose Wiedereinsetzung von gemaßregelten deutschchristlichen Pfarrern. Dabei wies er Meiser auf seine Autorität in der bayerischen Landeskirche hin, mit der er den von ihm geforderten Schritt seinen Pfarrern plausibel machen könne. Meiser entgegnete darauf, seine Autorität habe er nur ... dazu, dass er kirchlich handle. Für den von ihm geforderten Schritt könne er sie aber nicht in Anspruch nehmen (Zitate: K. Steinbauer, Zeugnis 1, S. 300).


Trotz der Drohungen des Reichskirchenministers führte Meisers entschiedene Haltung letztlich dazu, dass in Bayern kein Kirchenausschuss eingesetzt wurde, die Kirchenleitung weiter amtieren konnte und die Landeskirche damit „intakt“ blieb.


Meisers Verhalten fand auch den Beifall seiner innerkirchlichen Kritiker. Hatten ihn Mitglieder der bayerischen Pfarrerbruderschaft für seine Zustimmung zu den vom NS-Staat eingesetzten Kirchenausschüssen in anderen Landeskirchen noch scharf kritisiert, erkannten sie sein Verhalten gegenüber dem Reichskirchenminister jetzt ausdrücklich als wahrhaft kirchlich an. So dankte ihm sein größter Kritiker, der Penzberger Vikar Karl Steinbauer (1906–1988), in einem Schreiben zum Weihnachtsfest 1935 für dieses mein schönstes Weihnachtsgeschenk aufrichtig und von Herzen (Zitate: K. Steinbauer, Zeugnis 1, 302).


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Pers. 36, Nr. 103

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