Hermann Sondermann: Kritik an NS-Kirchenpolitik


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Für Pfarrer Hermann Sondermann (1903–1960) hatten unvorsichtige Äußerungen über das NS-Regime schwere Folgen. Sondermann wurde am 15. Januar 1903 als Sohn eines Finanzrats in Bayreuth geboren. Er besuchte Gymnasien in Oettingen und Nürnberg und war Mitglied der Wandervogelbewegung. Seit 1923 studierte er evangelische Theologie in Erlangen und Tübingen. 1927 trat er sein Vikariat an und wurde Kandidat im Predigerseminar Nürnberg. 1931 wurde er Pfarrer in Offenbau, wo er sich besonders der Jugendarbeit widmete und in Zusammenarbeit mit der Inneren Mission Nürnberg mehrere Wochen im Jahr Kinder- und Jugendlager durchführte.


1932 wurde Sondermann Mitglied der SA. Von der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 war er zunächst begeistert. Schon bald bekam er jedoch erste Zweifel und wandte sich der Bekennenden Kirche zu. Empörung rief bei ihm die auf Befehl Hitlers erfolgte Ermordung des SA-Stabschefs Ernst Röhm (1887–1934) hervor, seit der er sich mit dem Gedanken trug, aus der SA auszutreten. 1935 kritisierte er bei einem SA-Schulungsabend die Rüstungspolitik Hitlers und wurde deshalb vom Gauredner als „aufsässiger Pfaffe“ und „Bekenntnis-Scheißkerl“ beschimpft, der im „Dritten Reich“ nichts zu suchen habe. Für sein Verhalten musste er sich auch vor der bayerischen Kirchenleitung verantworten, der die NSDAP Meldung über die Vorkommnisse gemacht hatte.


1941 wurde Sondermann von der Kirchenleitung im Raum Nürnberg in Großreuth bei Schweinau und Gebersdorf dienstverpflichtet. Im Sommer äußerte er sich gegenüber einer Untermieterin kritisch über den Krieg und die Kirchenpolitik des NS-Regimes. Dabei führte er aus: Es wird noch so weit kommen, dass die Christen ein Kreuz an der Kleidung tragen müssen, so wie die Juden gezwungen sind, einen Stern zu tragen (A. Sondermann, Jahr, 18).Daraufhin wurde er von der Untermieterin denunziert und wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz vor ein Sondergericht gestellt. Das Verfahren bracht ihm ein Jahr Haft ein, die er von Mai 1942 bis Mai 1943 verbüßte. Weil er ein verbotenes Buch von Leo Tolstoi einführte, kam er in verschärfte Einzelhaft, wo er sich eine schwere Lungenentzündung zuzog.


Sondermanns Familie, der Bürgermeister von Offenbau und der Landeskirchenrat reichten Gnadengesuche um Haftverkürzung ein. Der Gefängnisleiter machte die Bewilligung der Gesuche allerdings von einem politischen Bekenntnis zum NS-Staat und zu Hitler abhängig. Außerdem drohte er Sondermann für die Zeit nach dem Gefängnis Konzentrationslagerhaft an, die für politische Gefangene üblich sei. Sondermann war jedoch nicht bereit, ein Bekenntnis zum NS-Staat abzulegen und entgegnete, als Pfarrer bekenne er sich nur zum dreieinigen Gott. Er war inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, dass nicht das Bibelwort „Ein jedermann sei Untertan der Obrigkeit“, sondern das Wort „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ wichtiger war. Die Gnadengesuche wurden abgelehnt.


Zugleich verlangten das Reichskirchenministerium und das Reichsjustizministerium noch während seiner Haftzeit kategorisch die Entlassung Sondermanns aus dem Dienst der Landeskirche. Da auch nach kirchlichem Recht ein Pfarrer zu entlassen war, wenn er sich ein Jahr in Haft befand, entzog die bayerische Kirchenleitung Sondermann 1943 die Ordination und schloss ihn aus dem Pfarrerstand aus. Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) kündigte aber an, ihn nach der Entlassung in der kirchlichen Verwaltung zu beschäftigen. Am Tag seiner Entlassung aus der Haft erwartete ihn bereits die Gestapo zur Überführung ins Konzentrationslager, was aber von einem hohen Militär und nahen Verwandten Sondermanns verhindert wurde.


Sondermann kehrte nach Offenbau zurück und erhielt von der Landeskirche zunächst eine monatliche Unterhaltszahlung, bis er nach einer Tätigkeit im Kirchensteueramt Regensburg mit Zustimmung der politischen Stellen im August 1944 vom Landeskirchenrat auf dem Gnadenweg wieder in sein Offenbauer Pfarramt eingesetzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg lehnte er es mit Rücksicht auf deren persönliche Notlage ab, gegen die Denunziantin auszusagen. Die Jugendarbeit in Offenbau nahm er wieder voll auf. Eine Versetzung nach Regnitzlosau machte der Landeskirchenrat wieder rückgängig, weil Sondermann die dortige Einsamkeit wegen seiner Gefängniserlebnisse nicht ertragen konnte. Zu seinem 25. Dienstjubiläum in Offenbau wurde er von der Gemeinde zum Ehrenbürger ernannt. Sondermann verstarb am 7. Juni 1960.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, LKR 50560 Sondermann Hermann

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