Ein unbequemer Mahner


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Ende September 1945 wurde Karl Steinbauer aus der Kriegsgefangenschaft in Marseille entlassen. 1946 erhielt er eine Pfarrstelle in Lehengütingen bei Dinkelsbühl. Anlässlich dieser Ernennung brachen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Kirchenleitung und Steinbauer erneut auf. Anlass war ein Schreiben von Oberkirchenrat Georg Kern (1885–1947) vom 31. Januar 1946, in dem Kern Steinbauer dazu aufforderte, sich mit ganzer Hingabe seiner neuen Gemeinde zu widmen und die Stille des Ortes ... für fleißige Vertiefung in Schrift und Bekenntnis zu nutzen. Vor allem aber ermahnte Kern Steinbauer, die Versuchung, weitreichende Kirchenpolitik zu treiben, die infolge Ihres ganzen vorherigen Erlebens auf Sie zukommen wird, als solche zu erkennen (K. Steinbauer, Zeugnis 4, 194f).


Steinbauer reagierte auf diese Mahnung empört. In seinem Antwortschreiben an Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) führte er aus: Es ist mir eine völlig fremde und mir absolut nicht denkbar und vollziehbare Konsequenz, wohl theologisch arbeiten zu sollen, aber ja nicht die Konsequenzen daraus zu ziehen. Mir scheint, diese Schau der Dinge müßte endgültig dem konsistorialen Denken des vergangenen Jahrhunderts angehören, das gemeint hat, mit gesamtkirchlichen Fragen und Entscheidungen könne und dürfe sich ein gewöhnlicher Gemeindepfarrer nicht befassen, sondern dazu sei das Konsistorium da, und wer dies nicht anerkenne, versündige sich an dem Gebot des Gehorsams gegen die „kirchliche Obrigkeit“.


Den in der bayerischen Landeskirche üblichen, aber völlig verzerrten sogenannten „lutherischen“ Obrigkeitsbegriff machte Steinbauer dann auch für die Fehlentscheidungen der Kirchenleitung während der NS-Herrschaft verantwortlich: Deshalb konnten in vergangenen Jahren nach 1933 von der „kirchlichen Obrigkeit“ den Gemeinden und Pfarrern mancherlei Entscheidungen, die offensichtlich und nachweisbar wider Schrift und Bekenntnis waren, über den Kopf gestülpt werden, ohne dass kaum eine Gemeinde oder Pfarrerschaft dies überhaupt empfand oder sich dagegen wehrte. ... Und welch unmögliche Dinge – unmöglich wegen des uns gebotenen Glaubensgehorsams – wurden dann nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder getan: Jahr um Jahr.


Steinbauer kündigte an, er werde sich jetzt ebensowenig zum Schweigen verpflichten lassen wie bei seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen im Dezember 1939: Sie werden verstehen können, daß ich Ihnen, id est Landeskirchenrat, nichts anderes versprechen kann als eben dies, daß ich die auf mich zukommenden Entscheidungen im Raum der Kirche gewissenhaft – d. h. eben dem ans Wort, Hirten- und Wächteramt gebundenen Gewissen verhaftet – zu erledigen bemüht sein werde. Zwar habe er sich bisher zurückhalten wollen, aber gerade die Mahnung des Landeskirchenrats erlaube es ihm nicht, mancherlei Beobachtungen, die ich bislang weniger wichtig nahm, auch weiterhin als so harmlos anzusehen.


Zu diesen Beobachtungen zählten für Steinbauer vor allem Personalentscheidungen auf der kirchlichen Führungsebene und die Besetzungspolitik der Kirchenleitung für die Landessynode. Dabei wurde Steinbauers jüngere, kritische Generation bewusst ausgeschlossen. Für die Zukunft kündigte er an: Wenn man uns aber wirklich nicht die Möglichkeit gibt, unser Wort auf geordnetem Weg hören zu wollen, und es vorzieht, im wesentlichen nur wieder die Alten von Anno 1933 und früher zu Wort kommen zu lassen und nach alter kirchlicher Methode kirchliche Entscheidungen zu fällen und sie, wie ehedem, Pfarrern und Gemeinden über die Köpfe zu stülpen, so soll man nicht überrascht sein, wenn wir uns dann gegebenfalls auf andere Weise Gehör verschaffen.


Seinem nur an das Wort Gottes und an sein Hirten- und Wächteramt gebundenen Gewissen blieb Steinbauer zeitlebens treu. Entsprechend seiner Ankündigung an Landesbischof Meiser blieb er auch als Lagerpfarrer in Moosburg (1947/48), Gemeindepfarrer in Wolfratshausen (ab 1951), in Pettendorf bei Bayreuth (ab 1962) und in Amberg (ab 1967) sowie als vielbeschäftigter Vortragsredner im Ruhestand (ab 1971) ein unbequemer Mahner der Kirchenleitung. Als ihm der Landeskirchenrat 1964 den Ehrentitel „Kirchenrat“ verlieh, gab er den Titel wieder zurück, da er ihm nach den Erfahrungen der letzten Monate unerträglich sei (Schreiben an das Landeskirchenamt vom 2. Februar 1966: K. Steinbauer, Zeugnis 4, 298). Karl Steinbauer verstarb am 6. Februar 1988 und wurde in Uttenreuth bei Erlangen beerdigt.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, LKR 50071 Steinbauer Karl

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