Pechmann: Bitte um ein Wort gegen die Judenpolitik


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Seit dem 17. März 1941 mussten jüdische Zwangsarbeiter das Lager Milbertshofen im Münchner Stadtteil Am Hart aufbauen. Dort wurden Juden und sog. nichtarische Christen interniert, die in lokalen Betrieben Zwangsarbeit leisteten. Zugleich diente das Lager als Durchgangsstation für Deportationen in den Osten. Der erste Transport mit 999 Gefangenen ging am 20. November 1941 nach Kaunas (Kowno) ab, wo die Menschen kurz nach ihrer Ankunft erschossen wurden.


Kurz zuvor war der „Gelbe Stern“ als Symbol der Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung auch in Deutschland eingeführt worden. Seinen Ausgangspunkt nahm er im besetzten Polen, wo Ende Oktober 1939 die Juden der Stadt Wloclawec (Leslau) erstmals gezwungen wurden, einen gelben Winkel an ihrer Kleidung zu tragen. Im November wurde im Distrikt von Krakau der Judenstern eingeführt, ab dem 1. Dezember 1939 mussten alle Juden im deutsch besetzten Polen eine Armbinde mit blauem Davidstern auf weißem Untergrund tragen.


Im Deutschen Reich trieb Propagandaminister Joseph Goebbels (1897–1945) die Einführung eines öffentlich sichtbaren Kennzeichens für Juden voran, am 20. August 1941 gab Hitler seine Zustimmung. Gemäß einer Polizeiverordnung, die zum 15. September 1941 in Kraft trat, mussten alle Personen im Deutschen Reich, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 als Juden galten, vom vollendeten sechsten Lebensjahr an einen gelben Stern sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht ... tragen (Reichsgesetzblatt I, 1941, 547). „Mischlinge“ und jüdische Partner in „privilegierten Mischehen“ waren davon ausgenommen, jüdische Männer, die in einer kinderlosen Mischehe lebten, jedoch nicht. Verbunden mit dieser Regelung waren scharfe Reisebeschränkungen.


Am 22. Dezember 1941 erging daraufhin von der Kanzlei der Reichskirche (Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei) ein Rundschreiben an alle Kirchenleitungen, in dem diese aufgefordert wurden, Vorkehrungen zu treffen, dass getaufte „Nichtarier“ dem kirchlichen Leben fern blieben. In Kirchen unter Leitung von Deutschen Christen wurden Verbotstafeln an den Kirchen angebracht. Die Bruderräte und das Leitungsgremium der Bekennenden Kirche, die 2. Vorläufige Kirchenleitung, protestierten ebenso wie der württembergische Landesbischof Theophil Wurm (1868–1953) gegen diese Ausgrenzung von getauften „Nichtariern“. Die bayerische Landeskirche ignorierte die Berliner Anweisung und behandelte „Nichtarier“ weiterhin als „Glaubensgenossen“.


In dieser Situation wandte sich Wilhelm Freiherr von Pechmann (1859-1948) ein weiteres Mal an Landesbischof Hans Meiser (1881–1956), um ihn zu einem Protest der evangelischen Landeskirchen gegen die Schikanierung der Juden, ihre Ausgrenzung aus dem öffentlichen Leben und ihre Misshandlung zu veranlassen. Dabei wies er auch auf seinen Versuch vom April 1933 hin, den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss zu einem Wort zugunsten der aus rassischen Gründen verfolgten Kirchenmitglieder zu bewegen. Illusionen gab sich von Pechmann wegen der Erfolgsaussichten nicht hin. Als Zeichen ökumenischer Annäherung, die ihm sehr am Herzen lag, konnte er sich dagegen ein gemeinsames christliches Wort zugunsten der Verfolgten sehr gut vorstellen.


Trotz des Hinweises, dass Ähnliches zukünftig auch Christen drohen könne und dass das Schweigen zur aktuellen Not zu einer Mitschuld der Christen führe, folgte Landesbischof Meiser der Bitte des langjährigen Weggefährten nicht.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Pers. 36 Nr. 62

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