Proteste gegen den „Judenstern“


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Am 19. September 1941 wurde allen noch im Deutschen Reich wohnenden Juden durch eine Polizeiverordnung verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne einen Judenstern zu zeigen (zit. nach: Hermle, Thierfelder, Herausgefordert, S. 649). Dieser sollte aus einem handtellergroßen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der schwarzen Aufschrift ‚Jude‘ bestehen und sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht getragen werden.


Diese Anordnung veranlasste die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei in Abstimmung mit dem Geistlichen Vertrauensrat am 22. Dezember 1941 zu einem Rundschreiben an alle Kirchenleitungen mit der Aufforderung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, daß die getauften Nichtarier dem kirchlichen Leben der deutschen Gemeinde fernbleiben (zit. nach: ebd., S. 654).


Während in deutschchristlichen Kirchen wie in Sachsen Verbotstafeln an Kirchen angebracht wurden – Juden Zutritt verboten –, protestierten die Konferenz der Landesbruderräte und die 2. Vorläufige Kirchenleitung ebenso wie Landesbischof Wurm gegen diese Ausgrenzung von getauften Juden.


Das Ansuchen der Kirchenkanzlei ist mit dem Bekenntnis der Kirche unvereinbar, so unverblümt und direkt wiesen die Konferenz und die Vorläufige Kirchenleitung in ihren Schreiben vom 5. Februar 1942 die Anweisung der Kirchenkanzlei zurück (ebd., S. 658). Mit Hinweis auf den Taufbefehl Jesu und die Tatsache, dass Jesus selbst und alle seine Jünger Juden gewesen seien, wurde die Kirchenkanzlei zur Rücknahme ihres Schreibens aufgefordert.


Auch Landesbischof Theophil Wurm intervenierte und fragte in ungewohnt scharfer Form nach der theologischen Grundlage dieser Anordnung. Am 6. Februar 1942 begründete er ausführlich seine Ablehnung und verwies in rhetorischen Fragen auf deren nicht nur theologische Problematik:


Vom Evangelium her ist der Ausschluß der getauften Nichtarier nicht zu rechtfertigen. Der Hinweis auf die früher oder noch jetzt bestehenden fremdsprachigen Sondergemeinden verfängt nicht; denn die nichtarischen Christen reden dieselbe Sprache wie wir.


Aber dürfen die Kirchen an der Tatsache der Ausscheidung der Juden aus der deutschen Volksgemeinschaft achtlos vorübergehen? Sicherlich nicht. An keinem Unglücklichen darf der Christ achtlos vorübergehen. Daß die nichtarischen Christen heute Unglückliche sind, wird niemand bestreiten wollen. Dürfen wir dieses Unglück noch steigern, indem wir ihnen die Teilnahme an unseren Gottesdiensten entziehen? (zit. nach: Schäfer, Fischer, Landesbischof, S. 155).


Wenig überzeugend versuchte der Geistliche Vertrauensrat in seiner Antwort an Wurm die Anordnung zu verteidigen, zurückgezogen wurde sie nicht.


Ebenfalls als Reaktion auf die „Sternverordnung“ wandte sich die Stadtvikarin und Vertrauensfrau des „Büros Grüber“ in Breslau, Katharina Staritz, am 2. September 1941 an ihre Amtsbrüder. Sie erinnerte die Theologen daran, dass es Christenpflicht der Gemeinden sei, die Christen jüdischer Herkunft, die nun den Stern tragen müssten, nicht etwa wegen der Kennzeichnung vom Gottesdienst auszuschließen. Sie haben das gleiche Heimatrecht in der Kirche wie die anderen Gemeindeglieder und bedürfen des Trostes aus Gottes Wort besonders (zit. nach: Hermle, Thierfelder, Herausgefordert, S. 650).


Sie gab zu erwägen, ob nicht die Kirchenbeamten, Gottesdienstordner usw. in geeigneter seelsorgerlicher Form anzuweisen wären, sich dieser gezeichneten Gemeindeglieder besonders anzunehmen, ihnen wenn nötig Plätze anzuweisen usw. Eventuell wären auch besondere Plätze in jedem Gotteshaus vorzusehen, jedoch nicht als Armesünderbank für die nichtarischen Christen, sondern um sie davor zu bewahren, von unchristlichen Elementen fortgewiesen zu werden (ebd., S. 651).


Staritz war fortan den Verfolgungen der Gestapo ausgesetzt und auch das deutschchristliche Konsistorium stellte sich gegen sie. Nach einem Verhör am 21. Oktober 1941 wurde Staritz entlassen. Sie fand in Marburg Unterschlupf.


Nach einer gegen sie in der SS-Wochenzeitung „Das Schwarze Korps“ geführten Verleumdungskampagne – „Frau Knöterich als Stadtvikarin“ – wurde sie am 4. März 1942 verhaftet und ab Mai im KZ Ravensbrück inhaftiert; am 18. Mai 1943 wurde sie überraschend entlassen. In Breslau zurück hatte sie sich zwei Mal wöchentlich bei den Behörden zu melden und durfte nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten.


Quelle / Titel


  • © Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, Bestand 1 Nr. 3073

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