Kriegsdienstverweigerung


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Die Kriegsdienstverweigerung war in einem Staat, der den Kriegsdienst zur Ehrenpflicht an Volk und Vaterland stilisiert hatte, ein eminent widerständiger Akt. Eine solche Verweigerung konnte durch Fahnenflucht – Desertion – oder die generelle Ablehnung des Dienstes mit der Waffe zum Ausdruck gebracht werden.


Für das unbefugte Verlassen der Truppe oder einer Dienststelle belief sich der ursprünglich vorgesehene Strafrahmen gemäß §6 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung auf Todesstrafe oder auf lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus. Hitler persönlich ordnete am 14. April 1940 an, dass bei Fahnenflucht die Todesstrafe verhängt werden müsse.


Insgesamt sprach die Wehrmachtsjustiz ungefähr 35.000 Urteile wegen Fahnenflucht, davon waren 22.000 Todesurteile, von denen etwa 15.000 vollstreckt wurden. Die anderen Angeklagten wurden mit Zuchthaus bestraft – oft hatten sie ihre Haft in sogenannten „Bewährungseinheiten“ abzuleisten, die zu besonders gefährlichen Einsätzen befohlen wurden.


Die Möglichkeit, den Wehrdienst generell zu verweigern, war in Deutschland nicht vorgesehen. Schon das Militärstrafgesetzbuch von 1872, das im „Dritten Reich“ im Wesentlichen fortbestand, bestimmte ausdrücklich in seinem §48, dass die Strafbarkeit einer Handlung oder Unterlassung auch dadurch nicht ausgeschlossen [sei], daß der Thäter nach seinem Gewissen oder den Vorschriften seiner Religion sein Verhalten für geboten erachtet hat. Konkret bedeutete dies, dass beispielsweise eine religiöse Begründung für die Ablehnung des Waffendienstes nicht zulässig war. Verweigerer unterlagen damit dem §5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung, demzufolge die Zersetzung der Wehrkraft … mit dem Tode zu bestrafen war.


Die mit Abstand meisten Personen, die mit einer religiösen Begründung jeden Waffendienst ablehnten, entstammten der Gruppe der am 1. April 1935 reichsweit verbotenen Zeugen Jehovas. In den ersten neun Monaten des Krieges sprach das Reichskriegsgericht allein 63 Todesurteile gegen Zeugen Jehovas aus; im ersten Kriegsjahr waren es dann 123 wegen „Wehrkraftzersetzung“ ermordeter Zeugen.


Gerechtfertigt wurde dieses harte Vorgehen mit dem Verweis auf die „Kriegsnotwendigkeit“. Insgesamt wurden wohl mehr als 300 Zeugen Jehovas in der Zeit des Nationalsozialismus hingerichtet, da sie auf verschiedene Weise ihre Ablehnung des nationalsozialistischen Staates zum Ausdruck brachten.


Auch sieben Mitglieder der Siebenten-Tags-Adventisten fanden wegen Fahneneidverweigerung den Tod.


Aufgrund ihrer Traditionen, die stets eine auch religiöse Bejahung eines (Verteidigungs-)Krieges kannte, gab es in den beiden großen Kirchen kaum Kriegsdienstverweigerer. Weder konnten Katholiken in dieser Frage mit der Unterstützung des Episkopats noch die Protestanten mit der ihrer Kirche – auch nicht der Bekennenden Kirche – rechnen; beide Kirchen riefen einmütig bei Kriegsbeginn zum Gehorsam und opferwilligen Einsatz für Führer und Vaterland auf.


Auf katholischer Seite sind ca. 20 Personen bekannt, die den Kriegsdienst verweigerten; beispielhaft seien sieben genannt, die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten: Franz Jägerstetter aus Österreich, der Pallottinerpater Franz Reinisch, die dem Umfeld der Christköniggesellschaft zugehörenden Michael Lerpscher und Josef Ruf; weiter sind der aus Oberfranken stammende Alfred Andreas Heiß, Ernst Volkmann und Richard Reitsamer anzuführen. Ein katholischer Kriegsdienstverweigerer überlebte ebenso wie zwei Quäker.


Quelle / Titel


  • Reichsgesetzblatt 1939, S. 1456; Militärstrafgesetzbuch. In der Fassung der Verordnung vom 10. Oktober 1940. Erläutert von Martin Rittau. Berlin 1943.

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