Protest gegen die Entrechtung der Kirchen


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Die Pläne, den „Reichsgau Wartheland“ – kurz „Warthegau“ – zu einem NS-„Mustergau“ auszubauen, hatte auch Folgen für die Kirche. Gemäß der antichristlichen und antikirchlichen Haltung zahlreicher Parteigrößen war es nicht überraschend, dass die Kirchen im Warthegau in eine vom Staat kontrollierte Randexistenz abgedrängt werden sollten.


Zwar versuchte der Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten, Hanns Kerrl, seinen Einfluss auch im Warthegau geltend zu machen, doch dies wurde ihm rigoros verwehrt. Man entzog ihm jede Zuständigkeit für den Warthegau. Mit den „13 Punkten“, die den Mitgliedern des Posener Konsistoriums am 10. Juli 1940 mündlich vorgetragen wurden, war die Trennung vollzogen.


Verschiedene Gremien der evangelischen Kirchen legten gegen diese Maßnahmen umgehend Protest ein. Vor allem protestierten die Betroffenen ganz entschieden: Am 18. Januar 1941 wandten sich verschiedene Kirchenvertreter an Reichsstatthalter Greiser und schilderten ihm die bei allen Deutschen vorhandene Beunruhigung.


Das Kirchenvolk erlebe eine schwere Erschütterung und man könne kaum glauben, dass die Vorgänge dem Willen des Führers entsprächen. Kirche sei kein religiöser Verein, sie trage die heilige Verantwortung vor Gott und Volk (zit. nach: Gürtler, Nationalsozialismus, S. 218). Greiser möge sich dem Versuch, die Kirchen aus dem Leben des Volkes auszuschalten entgegenstellen, damit die Einheit und Geschlossenheit des Volkes nicht gefährdet werde (ebd., S. 219).


Da diese Eingabe – wie einige weitere – nichts fruchtete, wandte sich Generalsuperintendent Blau am 3. April 1941 direkt an Hitler. Die Gemeinden seien durch die beabsichtigte Änderung der Stellung der Kirche im Leben des Volkes tief beunruhigt (ebd., S. 230). Man habe während der polnischen Herrschaft immer die Verbindung zur Mutterkirche gehalten und nun solle sich die Kirche im Warthegau eigenständig organisieren. Blau bat den Führer, angesichts der schweren Sorgen, die auf Tausenden treuer evangelischer deutscher Männer und Frauen … lasten, die Neuordnung zumindest bis zum Ende des Krieges zurückzustellen.


Auch der Evangelische Oberkirchenrat in Berlin intervenierte zugunsten der Kirche im Warthegau; doch Schreiben an den Chef der Reichskanzlei Lammers vom 8. Mai 1941, an den Reichsinnenminister vom 23. Juli und vom 26. September an Hitler direkt blieben ohne Resonanz.


Selbst der Geistliche Vertrauensrat, der die Entwicklung im Warthegau lange als eine regionale Besonderheit abgetan hatte, erkannt Mitte 1941 deren grundsätzliche Bedeutung. In einem Schreiben vom 23. Juli an den Reichsinnenminister wurde nachdrücklich dessen Intervention gefordert; er möge die Verfügungen des Reichsstatthalters aufheben. Zudem unterstützte der Geistliche Vertrauensrat am 8. Oktober telegrafisch die Eingabe des preußischen Oberkirchenrats an Hitler:


Die deutschen evangelischen Gemeinden des Warthelandes, im Volkstumskampf bewährt, ruhig und treu dem Glauben der Väter lebend, sollen laut Verordnung des Reichsstatthalters Posen vom 13.9. zu einem privatisierten Verband gemacht, von der deutschen Mutterkirche getrennt und gleichzeitig vollständiger, das Glaubensleben tiefberührender Staatskontrolle unterworfen werden. Ernst und Größe unserer Zeit machen grundlose, gewaltsame und beunruhigende Experimente dieser Art unverständlich. Namens der deutschen evangelischen Christenheit, die das Schicksal ihrer Gliedkirche im Osten als das ihre empfindet, bitten wir deshalb dringendst, zu befehlen, daß die Posener Verordnung nicht durchgeführt wird (ebd., S. 86f.).


Allerdings waren sämtliche Proteste erfolglos. Dem Oberkirchenrat wurde am 11. November 1941 durch den Chef der Reichskanzlei beschieden, der Führer billige die Verordnung des Reichsstatthalters ausdrücklich.


Quelle / Titel


  • © Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, Bestand 7 Nr. 18682

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