Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

In Reaktion auf die antisemitische Bewegung der 1880er-Jahre schlossen sich 1890/91 christliche und jüdische Honoratioren im Verein zur Abwehr des Antisemitismus zusammen, um dem verderblichen und unchristlichen Treiben der Antisemiten (Gründungsaufruf) entgegenzutreten.


Dem Verein gehörten zeitweise bis zu 20.000 Mitglieder an. Sie kamen überwiegend aus dem liberalen Bildungs- und Besitzbürgertum, darunter viele evangelische Theologen und liberale Politiker. Obwohl in der Weimarer Republik vereinzelt Katholiken und Sozialdemokraten beitraten, konnte er seine soziale, konfessionelle und politische Basis nicht entscheidend erweitern.


Der Verein wollte Aufklärungsarbeit leisten und setzte dabei auf die Autorität von Bildung und Moral. In Publikationen wie den „Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus“ (seit 1925: „Abwehr-Blätter“) und dem Handbuch „Antisemiten-Spiegel“ wurde Material zur Widerlegung antijüdischer Stereotypen und zur Diskreditierung antisemitischer Agitatoren veröffentlicht. Der Verein erließ aber auch Wahlaufrufe gegen antisemitische Parteien und unterstützte parlamentarische Initiativen gegen die Diskriminierung von Juden in Staatsdienst und Militär.


Bis zu seiner Selbstauflösung im Juli 1933 verfolgte der Abwehrverein eine Honoratiorenpolitik. Er suchte nicht die direkte Konfrontation mit den Antisemiten, sondern versuchte über die Presse, die Parlamente und die wissenschaftliche Autorität von Fachgelehrten auf die Öffentlichkeit Einfluss zu nehmen. Politische Massen konnte er mit dieser Abwehrstrategie nicht mobilisieren.


Dem Verein ging es um die staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Juden, die zwar formal mit der Reichsverfassung von 1871 erreicht war, in der Praxis aber vielfach missachtet wurde. Er lehnte Philosemitismus, Zionismus und anfänglich jede Form jüdischer Selbstorganisation als illegitimen Partikularismus ab. Viele Mitglieder hingen dem Ziel einer religiös-kulturellen Homogenität, nicht Pluralität an und waren daher an der Aufrechterhaltung einer eigenständigen jüdischen Identität nicht interessiert. Auch waren seine Mitglieder durchaus nicht frei von gesellschaftlichen und religiösen Klischees gegenüber dem Judentum.


In der Weimarer Republik kämpfte der Verein gegen die Vorwürfe gegenüber den Juden als Verantwortliche für die Kriegsniederlage und die Revolution und als Vertreter des „Systems“. Sein „Abwehr-ABC“ enthielt Argumentationshilfen zu den gängigen antisemitischen Diffamierungen sowie Hinweise auf die Haltung verschiedener politischer Parteien zum Antisemitismus. Der Verein kooperierte mit der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), deren Reichstagsabgeordneter Georg Gothein 1921 den Vereinsvorsitz übernahm.


Seit 1925 nahm man in den Kreisen des Abwehrvereins Hitler und die NSDAP zunehmend als Gefahr wahr. „Mein Kampf“ und die Hitlerreden wurden in den Abwehr-Blättern analysiert und besprochen, jedoch zumeist noch in ironischem Ton.


Quelle / Titel


  • © Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, München

Verwandte Inhalte