Repressalien gegen die Tochter Ruth Stöffler


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Eugen Stöffler und seine Frau Johanna standen der nationalsozialistischen Weltanschauung kritisch gegenüber. Sie versuchten, ihre sechs Kinder vor dem Ungeist der NS-Ideologie so gut es ging zu bewahren. Die 1922 geborene älteste Tochter Ruth trat darum auch nicht dem Bund deutscher Mädel (BDM) bei.


Als ihr Rektor der Oberschule in Kirchheim/Teck sie ein Jahr vor dem Abitur bedrängte, dem BDM beizutreten, blieb sie standhaft. Sie konnte darum kein Abitur machen und damit auch nicht studieren. In ihren „Erinnerungen an die Jahre 1933–1945“ schreibt sie:


Dem Rektor unserer Schule in Kirchheim, der dorthin strafversetzt worden war, war es sicher peinlich, dass gerade in seiner Schule solch ein ,minderwertiges Subjekt‘ war. So wurde ich – es war ein Jahr vor dem Abitur – immer wieder ins Rektorat befohlen, wo er auf mich einredete und mir drohte, ich dürfe die Reifeprüfung nicht machen, wenn ich nicht dem BDM beiträte.


Auch das Oberschulamt in Stuttgart mischte sich ein. Aber ich berief mich weiter auf die Freiwilligkeit und ließ mich nicht beirren, lernte aber auch nicht besonders aufs Abitur, weil ich nicht glaubte, dass ich es machen dürfte. Drei Tage davor kam ein Lehrer zu mir und sagte, es sei mir nun doch erlaubt, daran teilzunehmen. So versuchte ich, wenigstens in Geschichte, die wir bei jenem Rektor hatten, noch durch Lernen die ärgsten Lücken zu füllen.


Die Abiturarbeiten schrieb ich dann mit den anderen. Sie gelangen mir nicht besonders gut. Vor der mündlichen Prüfung hatten wir noch einmal zwei Wochen Schule. In diesen Tagen kam wieder ein Lehrer auf mich zu und überreichte mir, ohne ein Wort zu sagen, zwanzig Mark. Das war die Prüfungsgebühr und mir war klar, dass das das ,Aus‘ für mein Abitur bedeutete. Ich packte meine Mappe und fuhr heim. Damit war das Studium ausgeschlossen (Ruth Stöffler: Erinnerungen an die Jahre 1933–1945, Manuskript, S. 5f.).


Da Ruth Stöffler nicht studieren konnte, nahm sie schon im April 1940 an dem von der Evangelischen Bekenntnisgemeinschaft angeregten, in Ludwigsburg neu eingerichteten Katechetenkurs der württembergischen Landeskirche teil und unterrichtete fortan als Katechetin Kinder, die anstelle des staatlichen Weltanschauungsunterrichts an einem freiwilligen Religionsunterricht der Kirchengemeinde Köngen teilnahmen. Im März 1946 wurde Ruth Stöffler als Wiedergutmachung ein Abiturzeugnis ausgehändigt.


Quelle / Titel


  • 1+2: © Ruth Stöffler; Abdruck in: 450 Jahre Kirche und Schule in Württemberg, 290f. © Calwer Verlag, Stuttgart