NS-Kirchenpolitik und evang. Kirche in Österreich


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Der „Anschluss“ Österreichs im März 1938 wurde von der evangelischen Kirche, einer Minderheitskirche mit knapp 300.000 Mitgliedern, mit Begeisterung aufgenommen. Der „Anschluss“ nährte die Hoffnung, endlich gleichberechtigt neben die katholische Kirche treten zu können. Evangelische Pfarrer, Kirchenleitung und Gemeindeglieder hatten demonstriert, dass sie die politische Stärke des NS-Regimes auch für ihre Interessen zu nutzen bereit waren.


In Wien agierte seit dem 23. April 1938 Josef Bürckel als Reichskommissar für die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. Sein Ehrgeiz war es, sich Hitler als „Friedensstifter mit den Kirchen“ zu präsentieren. Dies sollte Vorbildcharakter für das „Altreich“ erhalten.


Im neuen „Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten“ sorgte die Abteilung „Erziehung, Kultus und Volksbildung“ für die Umgestaltung dieser gesellschaftlich wichtigen Bereiche nach nationalsozialistischen Vorgaben. Die Folge war eine Flut von Gesetzen, Erlassen und Verfügungen. Die Kirchen wurden systematisch aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens gedrängt: Kindergärten wurden in die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ eingegliedert, alle konfessionellen Schuleinrichtungen bis September 1938 geschlossen oder in öffentliche Trägerschaftüberführt. Die Ausbildung an den Theologischen Fakultäten wurde zunehmend eingeschränkt, der Religionsunterreicht schrittweise reduziert.


Zur Verdrängung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben gehörten auch die Einschränkung des Pressewesens, die Regelung zur Krankenhaus- und Strafanstaltsseelsorge sowie das Feiertagswesen. Solche Maßnahmen zur „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“, häufig unter Mitwirkung von Gestapo und SD, waren auch im sogenannten „Altreich“ gängige Praxis. Da in Österreich aber das Konkordat der katholischen Kirche für ungültig erklärt worden war und die evangelische Kirche sich als willfähriges Instrument gezeigt hatte, konnten kirchenfeindliche Aktionen dort verschärft oder überhaupt erstmals angewendet werden.


So wurde mit dem Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen vom 28. April 1939 die staatliche Mitwirkung bei der Finanzierung der Kirchen in Österreich beendet. Diese Regelung, die auch die Kirchenaustrittsbewegung forcieren sollte, diente als Modell für andere annektierte Gebiete. Ziel war es, die Kirchen finanziell auszubluten. Dem Konzept der Trennung von Staat und Kirche diente ein Gesetz Bürckels vom Mai 1939, das dem Evangelischen Oberkirchenrat seine Stellung als „Staatsbehörde“ aberkannte.


Der „Stillhaltekommissar“ für Vereine, Organisationen und Verbände unterzog das gesamte Vereinswesen der Kirchen einer Prüfung, die Mehrzahl wurde aufgelöst, ihre Vermögen beschlagnahmt.


Gemeinsam mit staatlichen Stellen war es das Ziel des kommissarischen Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats (EOK) Hans Kauer, ein Übergreifen des Kirchenkampfes aus dem „Altreich“ zu verhindern. Pfarrer der Bekennenden Kirche wurden daran gehindert, in das Gebiet der Ostmark, wie Österreich seit 1938 offiziell genannt wurde, einzureisen.


Mit dem vom EOK in Wien erlassenen provisorischen Kirchengesetz vom 24. Juni 1939 wurde die evangelische Kirche in Österreich zu einer gleichgeschalteten Landeskirche der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK). Dieser „Eingliederung“ und faktischen Gleichschaltung war eine ideologische Anbindung an die NS-Kirchenpolitik und eine Auslieferung an die deutschchristliche Theologie vorausgegangen.


Quelle / Titel


  • Gesetzblatt für das Land Österreich vom 28.4.1939; © Österreichische Nationalbibliothek, Wien

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