Alfred Leikam


Alfred Leikam wuchs als Halbwaise in der schwäbischen Provinz auf. Kurz nach seiner Geburt fiel sein Vater im Ersten Weltkrieg. Leikam besuchte die Realschule in Waiblingen und nahm nach dem Schulabschluss eine Notariatsausbildung auf. Bereits in seiner Jugend war er als Kinderkirchhelfer sowie Mitglied und Leiter des Christlichen Vereins Junger Männer in Korb kirchlich stark engagiert. Beeindruckt von Pfarrverwesern wie Helmut Goes, inspiriert u. a. von Paul Schempp und den Schriften Karl Barths begann er bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Alleingang gegen die totalitäre Ideologie der neuen Herrscher aufzubegehren.
1934 protestierte Leikam in einem Akt zivilen Ungehorsams gegen die Gleichschaltung des Chrsitlichen Vereins Junger Männer mit der Hitler-Jugend. Trotzdem trat er im Jahr darauf in vermeintlichem Gehorsam gegen Römer 13 der Hitler-Jugend bei. Weil er 1935 bei einer nächtlichen Feierstunde aus Anlass der Rückgliederung des Saargebietes als einziger den Deutschen Gruß („Hitler-Gruß“) verweigerte und kurz darauf leidenschaftlich gegen Baldur von Schirachs Lied „Unsere Fahne flattert uns voran“ protestierte, wurde er am 1. Januar 1936 aus der Hitler-Jugend ausgeschlossen.
Leikam schloss sich der Kirchlich-theologischen Sozietät um Hermann Diem an und orientierte sich an der Denkschrift der VKL II an Hitler vom Januar 1936. Im November 1937 geriet er mit dem Bürgermeister von Korb in ein Streitgespräch über die Lage der Kirche und offenbarte sich dabei als Gegner des Nationalsozialismus. Dies brachte ihm eine Anklage nach dem Heimtückegesetz ein. Von 1938 bis 1943 wurde er als „Schutzhäftling“ zunächst in das Schutzhaftlager Welzheim, dann in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Während seiner Haft in Buchenwald beteiligte er sich an der Rettung seines jüdischen Mithäftlings Max Nebig.
Nach dem Krieg wirkte Leikam kurzzeitig als Bürgermeister in Korb, dann war er Vorsitzender einer Spruchkammer, die für die Durchführung von Entnazifizierungsverfahren zuständig war. Von 1948 bis 1980 arbeitete er als schwäbischer Notar. Er wurde zunächst Mitglied in Gustav Heinemanns Gesamtdeutscher Volkspartei und engagierte sich später in der SPD.
Leikam war während und auch nach der nationalsozialistischen Herrschaft ein unbequemer und einsamer Mahner. Obwohl stets kirchlich engagiert, blieb er auch gegenüber der Sozietät und der württembergischen Kirchenleitung unter Landesbischof Theophil Wurm kritisch, die in seinen Augen gegenüber dem Nationalsozialismus versagten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte er sich aus theologischen Gründen in den 1950er Jahren zunächst gegen Wiederbewaffnung und atomare Aufrüstung, Ende der 1970er Jahre gegen die Nachrüstung und in den 1980er Jahren schließlich gegen die Arbeitslosigkeit. Zeitlebens beschäftigte ihn die Frage, wie sich Christen und Kirche nach Römer 13 zu Staat und Politik verhalten sollten.
Für seine zahlreichen Verdienste und sein Engagement wurde Leikam 1979 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In Schwäbisch Hall wurden eine Straße und ein Heizkraftwerk nach ihm benannt. 2002 verlieh der Staat Israel Leikam für seine Beteiligung an der Rettung von Max Nebig in Buchenwald posthum den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“.


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