Erich Hertzsch: Gegen Gleichschaltung der Kirche


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Die 2. Tagung des Dritten Thüringer Landeskirchentages vom 21. April bis 5. Mai 1933 stand vorwiegend im Zeichen der kirchenpolitischen Anliegen der Deutschen Christen. Sie hatten bei der Wahl 31% der Stimmen bekommen und verfügten über 19 der insgesamt 61 Sitze. Einer ihrer ersten Anträge beinhaltete ein sogenanntes Ermächtigungsgesetz. Damit sollte die gesetzgeberische Zuständigkeit des Landeskirchentages auf den erweiterten Landeskirchenrat übertragen werden.


In ihrem Antrag hieß es: Die Kirche wird [...] in dem gleichen Geiste wie der neue deutsche Staat Hand in Hand mit ihm ihren Dienst am deutschen Volk tun [...] Der Landeskirchentag ermächtigt den erweiterten Landeskirchenrat, an seiner Stelle auch über gesetzliche Zuständigkeiten hinaus Maßnahmen zu treffen, die zur Gleichschaltung mit dem nationalen Staat und der christlich-nationalen Erneuerungsbewegung erforderlich sind (2. Tagung des Dritten Thüringer Landeskirchentages vom 21. April bis 5. Mai 1933. Im Verlag des Landeskirchenrats der Thüringer evangelischen Kirche in Eisenach 1933, Drucksache Nr. 6, 183f.).


In der Debatte fand der junge Eisenacher Pfarrer Erich Hertzsch (1902–1995) die klarsten und mutigsten Worte. Er war seit 1927 Mitglied im Bund religiöser Sozialisten und in der SPD. 1933 war er mit sechs weiteren Religiösen Sozialisten in den Landeskirchentag gewählt worden. Während der ersten Lesung gestand er zu, dass Verkündigung und Verwaltung der Kirche den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen hätten. Doch wenn [...] gesagt wird, dass die Kirche im gleichen Geist arbeiten solle wie der neue Staat, so glauben wir, dass hier eine Zustimmung für den Landeskirchentag unmöglich ist, denn die Kirche soll ohne Zweifel arbeiten im Heiligen Geist, im Geiste Jesu Christi. Das aber ist nicht der Geist irgendeiner Staatsauffassung, so gut und schön sie auch sein mag. Wenn die Kirche verändert werden solle, dann sei Regel und Richtschnur das Neue Testament.


Im Blick auf den Begriff der Gleichschaltung äußerte er stärkste Bedenken. Trotz der Beschwichtigungen durch die Antragsteller stellte er klar: Im staatlichen Leben bedeutet die Gleichschaltung eben Ausschaltung. Die Kirche darf aber niemand ausschalten wollen. Der Ansicht der Antragsteller, die Kirche dürfe kein Schlupfwinkel sein für all jene, die im neuen Staat nichts mehr zu sagen hätten, begegnete er mit dem Hinweis, der Altar Gottes sei stets ein Zufluchtsort gerade für die Mühseligen und Beladenen, Verbitterten und Hoffnungslosen gewesen.


Der Ansicht der Deutschen Christen, die Kirche dürfe der nationalen Bewegung das Rückgrat nicht brechen wollen, setzte er entgegen: Wohl aber habe die Kirche den Auftrag, der staatlichen Gewalt klare Grenzen zu zeigen. Er machte deutlich, dass auch die Vaterlandsliebe sich [...] beugen soll vor dem Namen dessen, vor dem sich alle Knie beugen sollen und alle Zungen bekennen sollen, dass er der Herr sei.


Im Blick auf die von vielen erwartete Förderung der Kirche durch den neuen Staat stellte er fest: Die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums liegt nicht darin, dass die Kirche vom Staat bevormundet wird, sondern in der inneren Freiheit der Verkündiger. Diese seien nicht nur an das Pauluswort: Jedermann sei untertan der Obrigkeit gewiesen, sondern ebenso klar und noch stärker an das Wort: ‚Wir sollen Gott mehr gehorchen als den Menschen’.


Am 5. Mai nahm der Landeskirchentag das „Ermächtigungsgesetz“ in dritter Lesung in leicht veränderter Fassung an. An dieser Abstimmung nahmen die Religiösen Sozialisten nicht mehr teil. Sie waren einem von den Deutschen Christen beantragten Ausschluss aus dem Landeskirchentag zuvorgekommen und hatten ihre Mandate niedergelegt.


Erich Hertzsch wurde nach wechselnden Pfarrämtern und Pfarramtsvertretungen nach 1945 Mitglied der Thüringer Kirchenleitung, Professor für Praktische Theologie in Jena und für einige Jahre Mitglied im Thüringer Landtag.


Quelle / Titel


  • © 1+2: LKA Eisenach

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