Ricarda Huch: Bilder deutscher Widerstandskämpfer


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Nach Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete die Historikerin und Schriftstellerin Ricarda Huch an einem Buch mit Lebensbildern von Menschen, die sich dem nationalsozialistischen Regime widersetzt hatten und ermordet wurden. Der „führende Gedanke ist“, so schrieb sie am 28. Juli 1946 an den evangelischen Theologieprofessor Herbert Krimm, „daß es sich in dem Kampf gegen Hitler um eine religiöse Bewegung handelte, um den Kampf gegen das Böse.“ (Huch, Briefe, 476).


Huch schrieb weit über 100 Briefe an Widerständler und ihre Angehörigen, traf sich mit ihnen und veröffentlichte dann folgenden Aufruf:


Für die Märtyrer der Freiheit. – Aus unserer Mitte sind böse, brutale und gewissenlose Menschen hervorgegangen, die Deutschland entehrt und Deutschlands Untergang herbeigeführt haben. Sie beherrschten das deutsche Volk mit einem so klug gesicherten Schreckensregiment, daß nur Heldenmütige den Versuch, es zu stürzen, wagen konnten. So tapfere Menschen gab es eine große Zahl unter uns. [...] Sie sind dennoch nicht umsonst gestorben. Wie wir der Luft bedürfen, um zu atmen, des Lichtes, um zu sehen, so bedürfen wir edler Menschen, um zu leben. Sie sind das Element, in dem der Geist wächst, das Herz rein wird. […] Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Lebensbilder dieser für uns Gestorbenen aufzuzeichnen und in einem Gedenkbuch zu sammeln, damit das deutsche Volk daran einen Schatz besitze, der es mitten im Elend noch reich macht. (Hessische Nachrichten, 4. Mai 1946)


Zur Wiedereröffnung der Jenaer Universität schrieb sie in Anlehnung an die Wolke, die dem Volk Israel beim Auszug aus der Sklaverei voranging: Ob die Geschichte eine Wissenschaft sei, darüber lässt sich streiten: Wichtig ist sie als Zauberspiegel, aus dem dem Volke in großen Gesichten und Verkörperungen sein tiefster Wille entgegen tritt, eine Flamme und eine Wolke, die vor ihm hergeht (R. Huch, Grundwille, 934).


Inzwischen begann die zweite Diktatur auf deutschem Boden. Ricarda Huchs Worte durften nicht erscheinen. Im Sommer 1947 stellt sie fest: Man ist ebenso gefesselt, wie man die zwölf Jahre vorher war (zit. nach W. M. Schwiedrzik, Huch, 42). So nutzte sie als Ehrenpräsidentin des Ersten Deutschen Schriftstellerkongresses die Zeit der ersten Berliner Tagung im Oktober 1947 für ihre Recherchen und floh dann unter abenteuerlichen und strapaziösen Umständen – in ihrem Handgepäck das begonnene Gedenkbuch. Doch am 17. November 1947 verstarb sie.


Das Gedenkbuch blieb unvollendet. Drei Abschnitte hatte sie geplant: die Aktionen der Münchner Studenten gegen Hitler, die Widerstandsgruppen um den 20. Juli 1944 und der kommunistische Widerstand. In Jena hatte sie die Würdigung des Münchner Widerstands fertig gestellt. Sie erschienen nach ihrem Tod in verschiedenen Zeitschriften und prägten das Bild von der Weißen Rose mit. Ihr Material zum kommunistischen Widerstand übergab sie im Oktober 1947 Günther Weisenborn, der es für seine konzeptionell anders geartete Dokumentation Der lautlose Aufstand (1953) verwendete. Elisabeth von Thadden und Ernst von Harnack kannte Ricarda Huch persönlich. Ihre Erinnerungen waren ebenfalls geschrieben, wurden aber erst 1971 publiziert.


Der Briefwechsel Ricarda Huchs mit den Angehörigen des Widerstands gehört zum Grundbestand des Instituts für Zeitgeschichte (München), das von großer Bedeutung für die wissenschaftliche Erforschung des Widerstands gegen das NS-Regime wurde.


Quelle / Titel


  • © 1–3: Reproduktion Deutsches Literaturarchiv Marbach; 4: Neue Auslese 3 (1948), Heft 12, unbekannter Künstler; Texte von Ricarda Huch: Erben Ricarda Huch, vertreten durch Reglindis Böhm und Peter Böhm.

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