Verfassungsbruch und Widerspruch


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Die Schriften des Schweizer Theologen Karl Barth (1886–1968) waren für Gustav Greiffenhagen schon während seines Studiums und seines Vikariats eine wesentliche Richtschnur. So war es nur folgerichtig, dass er nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 immer wieder mit den Deutschen Christen und den sie stützenden Nationalsozialisten in Konflikt kam.


Das in ihrer Verfassung von 1920 festgeschriebene Laienprinzip in der Bremischen Evangelischen Kirche, das kein geistliches Leitungsamt vorsieht, ermöglichte es den Nationalsozialisten, entscheidende kirchliche Positionen mit linientreuen Laien zu besetzen. So konnte der Senator und spätere Bremer Bürgermeister, der Nationalsozialist Otto Heider (1896–1960), Präsident der – in Bremen Kirchentag genannten – Synode werden und damit in deren höchstem Amt Entscheidungen von großer Tragweite treffen. Widerstand gegen das Kirchenregime bedeutete in Bremen demnach, sich immer auch mit staatlichen Stellen anzulegen.


Diese Konstellation führte auf dem außerordentlichen Kirchentag am 24. Januar 1934 zu einem Eklat: Es sollte ein Ermächtigungsgesetz beschlossen werden, das dem bremischen Kirchenausschuss freie Hand gab, die Verhältnisse in der Bremischen Evangelischen Kirche nach dem Führerprinzip und nach den Vorstellungen der Deutschen Christen zu regeln. Außerdem sollte Domprediger Heinrich Weidemann (1895−1976), der bis dahin Schriftführer und damit theologischer Repräsentant des Kirchenausschusses gewesen war, zum Bischof ernannt werden. Dem wollten zahlreiche Delegierte nicht zustimmen. Sie versuchten im Vorfeld, eine Abstimmung über diese Gesetze zu verhindern. Der ehemalige Präsident der Bremischen Evangelischen Kirche, der Jurist Rudolph Quidde (1861–1942), legte ein Gutachten vor, nach dem beide Gesetze nach der Kirchenverfassung unzulässig seien. Als der St. Stephani-Bauherr Nikolaus Freese (1864–1958) daraufhin den Antrag stellte, beide Gesetze nicht zu behandeln, erhielt er tatsächlich die erforderliche Mehrheit. Doch dann machte Heider in einer Rede unmissverständlich klar, wer in der bremischen Kirche fortan die Macht hatte, und setzte sämtliche Gemeindeordnungen und sämtliche Organe der Kirche außer Kraft. Von den protestierenden Kirchentagsvertretern wurden zwei für einige Tage in Schutzhaft genommen.


Im faktisch aufgelösten Vorstand seiner Gemeinde St. Stephani-Süd fand Greiffenhagen in diesem Moment keine Unterstützung. Lediglich der Kaufmann Dr. Gustav Meyer (1900–1953) und die Lehrerin Magdalene Thimme (1880 – 1951) waren entschlossen, einen derartigen Rechtsbruch nicht ohne Gegenwehr durchgehen zu lassen. Nach der Predigt am Sonntag, 28. Januar 1934 verlas Greiffenhagen eine Abkündigung, die er gemeinsam mit Magdalene Thimme entworfen sowie einigen Kollegen und Kirchenvorständen vorgelegt hatte und auf die lediglich der Arzt Dr. Karl Stoevesandt (1882–1977), Bauherr der Gemeinde Unser Lieben Frauen, reagiert hatte. Darin informierte er seine Gemeinde über den Verfassungsbruch durch den Präsidenten des Kirchentags: Hier wird gehandelt gegen das Bekenntnis der evangelischen Kirche, wie es im Augsburgischen Bekenntnis Art. 15 und 28 dargelegt ist. Das Augsburgische Bekenntnis warnt dringend, die Gewalt der Bischöfe und das weltliche Schwert durcheinander zu mengen. (G. Greiffenhagen, Reden, 77)


Durch einen Kriminalassistenten der Gestapo, der in dem Gottesdienst zugehört hatte, erfuhr Heider von der Abkündigung. Er forderte Greiffenhagen auf, binnen 24 Stunden dazu Stellung zu nehmen. Dieser kam der Aufforderung am nächsten Tag nach und berief sich im folgenden Briefwechsel stets auf Bibel und Bekenntnis. Allein Jesus Christus sei der Herr der Kirche und ihm habe sich auch eine Kirchenregierung in ihrem Tun und Lassen zu beugen. Er verwahrte sich dagegen, dass sein Handschlag mit Heider, mit dem er sich verpflichtet hatte, an der Einheit der Bremischen und der Deutschen Evangelischen Kirche mitzuwirken, in eine Zustimmung und Gefolgschaft gegenüber den Deutschen Christen umgedeutet wurde.


Quelle / Titel


  • © 1–3: Gemeinde St. Stephani Bremen, Akte Gustav Greiffenhagen (Archiv der Bremischen Evangelischen Kirche)

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