Die mutigen Frauen von St. Stephani


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe
  • 2tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Lange vor der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze am 15. September 1935 durch den Reichstag hatte sich Magdalene Thimme mit dem Thema Juden auseinandergesetzt. Sie lehnte das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre ab, das Ehen und außereheliche Verbindungen zwischen Juden und Nichtjuden verbot, sowie das Reichsbürgergesetz, mit dem Juden die deutsche Staatsangehörigkeit genommen wurde. Für sie blieben „Nichtarier“ gleichberechtigte Bürger und getaufte Juden Mitglieder der Gemeinde.


Als im Oktober in Bremen die Deportationen von Juden begannen, feierte die Gemeinde St. Stephani-Süd den Reformationsgottesdienst am Sonntag, 2. November 1941, gemeinsam mit mehreren Christen jüdischer Herkunft, die auch am Abendmahl teilnahmen. Sie wurden zudem mit Geld und warmer Kleidung versorgt, in ihren Häusern besucht und getröstet in der Annahme, sie würden zum Arbeitseinsatz in den Osten verschickt. Auch Magdalene Thimme half, wo sie konnte. Sie und mehrere Gemeindeglieder, darunter die Lehrerinnen Elisabeth Forck (1900–1988) und ihre Schwester Thusnelde Forck (1897–1972), Maria Schröder (1901–1984), Hedwig Baudert (1899–1991) und Anna Elisabeth Dittrich (1899–1981) sowie die junge Gemeindehelferin Maria Köppen (1917–1986) wurden, ebenso wie der Pastor Gustav Greiffenhagen (1902–1968), vom deutsch-christlichen Nachbarn und Kollegen Greiffenhagens beobachtet und angezeigt.


Magdalene Thimme zählte nicht zu den Verhafteten. Offenbar bestand kein besonderes Interesse an einer bereits zwangspensionierten Lehrerin. Den anderen Lehrerinnen wurde vorgeworfen, gegen ihre Beamtenpflichten verstoßen zu haben. Auf Thimmes Drängen hin sandte die Gemeindeleitung am 6. und 7. November Protestbriefe an den damaligen Bremer Bürgermeister, an das Reichskirchenministerium sowie an die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei in Berlin. Darin setzte sich die Gemeinde dagegen zur Wehr, dass ihren Mitgliedern die Teilnahme an einem Gottesdienst zum Vorwurf gemacht werde. Alle Verhafteten müssten freigelassen werden. Den Brief hatte auch Elisabeth Forck, wie Magdalene Thimme Mitglied im Bruderrat der Gemeinde, unterschrieben. Sie wurde daraufhin des Landesverrats beschuldigt, von der Gestapo verhört und vor die Wahl gestellt, entweder aus dem Schuldienst entlassen zu werden oder ihre Aktivitäten in der Gemeinde einzustellen. Sie entschied sich für das zweite, da sie mit ihrem Lehrerinnengehalt Familienmitglieder unterstützte.


Thusnelde Forck, Hedwig Baudert, Anna Elisabeth Dittrich, Maria Schröder und Maria Köppen wurden nach den Verhören zwar freigelassen, die Lehrerinnen jedoch suspendiert. Sie legten Widerspruch ein und kämpften bis 1944 gerichtlich um ihre Rehabilitation. Gustav Greiffenhagen, zu der Zeit als Soldat in Hamburg stationiert, wurden die Wochenendreisen nach Bremen verboten, was einem Predigtverbot gleichkam. Magdalene Thimme musste eine Geldstrafe von 500 Mark bezahlen, der Gemeindevorsitzende Dr. Gustav Meyer (1900–1953) 2000 Mark.


Wenige Monate später bezog Magdalene Thimme noch einmal entschieden Position. Die Bremische Evangelische Kirche erklärte sich für antijüdisch und schloss Mitglieder jüdischer Herkunft aus. Da schwankte man auch in St. Stephani-Süd, ob man sich diesem Dekret nicht doch beugen müsse. Es war Magdalene Thimme, die das klar ablehnte und drohte, die Gemeindearbeit niederzulegen, wenn man tatsächlich rassisch verfolgte Christen ausschlösse. Die Gemeinde entschied sich für ihre Mitchristen und Magdalene Thimme arbeitete weiter.


Quelle / Titel


  • © 1+2: Gemeindearchiv St. Stephani Bremen

Verwandte Inhalte