Versuch, einen braunen Bischof zu stürzen


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Unter Bruch der Kirchenverfassung machte im Januar 1934 der NS-Senator und spätere Bürgermeister Otto Heider (1896–1960) den Domprediger Heinrich Weidemann (1895–1960) zum Landesbischof. Gegen diesen Handstreich und die Herrschaft Weidemanns protestierten zahlreiche Gemeinden, auch Unser Lieben Frauen, beim Reichskirchenminister Hanns Kerrl (1887–1941). Die Gemeinde ließ dem noch eine ausführliche Beschreibung der kirchlichen Zustände in Bremen folgen – ohne dass eine Reaktion erfolgte. Die Konstellation von NS-Laien in einflussreichen Kirchenämtern ermöglichte es Weidemann, sich immer neue Posten und Befugnisse anzueignen und das Führerprinzip in der Kirche durchzusetzen. Er konnte sich der Rückendeckung durch staatliche Stellen sicher sein. In einer Kirche, in der das Laienprinzip und die Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit Vorrang hatten – und heute noch haben – musste das zu zunehmend härteren Konflikten führen. Weidemanns Durchmarsch mit Ver- und Anordnungen machte den Landesbischof noch selbstherrlicher als er ohnehin schon seit Beginn seiner Karriere aufgetreten war.


Mehrere Gemeinden protestierten gemeinsam beim Reichskirchenministerium, allen voran Unser Lieben Frauen mit Karl Stoevesandt an der Spitze. Am 6. Januar 1940 fuhren ihre Vertreter zu einer Unterredung mit dem Minister nach Berlin. Der zeigte sich interessiert, unternahm aber nichts.


Kerrl hatte wohl inzwischen die pathologischen Züge im Wesen des selbstherrlichen Bischofs erkannt, hatte aber keine Handhabe gegen ihn. Weidemann setzte Stoevesandt und zwei weitere Bauherren ab – was die Gemeinde ignorierte. Daraufhin erhielt sie vorerst kein Geld mehr aus der Zentralkasse der Bremischen Evangelischen Kirche. Stoevesandt wurde von der Gestapo in einem Bericht vom 6. März 1940 als besonders gefährlich eingeschätzt.


Schließlich versuchte der Jurist Dr. Reinhard Groscurth (1895–1983), ebenfalls Mitglied von Unser Lieben Frauen und Sohn des bereits 1934 emeritierten gleichnamigen Pastors der Gemeinde, den braunen Bischof mit gerichtlicher Hilfe zu stürzen: Er wies Weidemann nach, dass er mit Kirchenmitteln Projekte gefördert habe, die allein seinen persönlichen Interessen und den Deutschen Christen in der Bremischen Evangelischen Kirche dienen sollten und erstattete mit Datum vom 12. April 1940 Anzeige. Die Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht Bremen wies die Klage jedoch ab mit der Begründung, die Vorhaben Weidemanns seien durch das Reichskirchenministerium abgesegnet, die Haushaltsmittel bestimmungsgemäß ausgegeben worden. Eine strafbare Handlung liege nicht vor.


Es folgten jedoch weitere Strafanzeigen wegen Untreue, Hausfriedensbruchs, Beamtennötigung, Beleidigung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Verhinderung und Missbrauchs von Gottesdiensten. Die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei eröffnete ein Disziplinarverfahren und Weidemann wurde vorläufig suspendiert. Letztendlich aber stürzte er über privates Verhalten: Im Ehescheidungsprozess hatte er seine Geliebte, die als Sekretärin für ihn gearbeitet hatte, zu einem Meineid überredet. Am 13. Oktober 1943 wurde er wegen Anstiftung zu diesem Meineid zu einer Zuchthausstrafe von zweieinhalb Jahren und vier Jahren Ehrverlust verurteilt.


Quelle / Titel


  • ©1+2: Privatarchiv Dr. jur. Eberhard Großcurth, Bremen; 3: bremer kirchenzeitung