Predigt über die Verbrechen des Novemberpogroms


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Julius von Jan hielt zum landeskirchlichen Bußtag, am 16. November 1938, eine Predigt über Jeremia 22, 29. Dieses Bibelwort war keine der landeskirchlichen Perikopen, sondern ein verordnetes Wort zum Bußtag. In seiner Predigt führte er aus:


Ein Verbrechen ist geschehen in Paris. Der Mörder wird seine gerechte Strafe empfangen, weil er das göttliche Gesetz übertreten hat. Wir trauern mit unserm Volk um das Opfer dieser verbrecherischen Tat. Aber wer hätte gedacht, daß dieses eine Verbrechen in Paris bei uns in Deutschland so viele Verbrechen zur Folge haben könnte? Hier haben wir die Quittung bekommen auf den großen Abfall von Gott und Christus, auf das organisierte Antichristentum. Die Leidenschaften sind entfesselt, die Gebote Gottes mißachtet, Gotteshäuser, die andern heilig waren, sind ungestraft niedergebrannt worden, das Eigentum der Fremden geraubt oder zerstört. Männer, die unserm deutschen Volk treu gedient haben und ihre Pflicht gewissenhaft erfüllt haben, wurden ins KZ geworfen, bloß weil sie einer andern Rasse angehörten!


Die kritische, von antijudaistischen Tönen aber nicht ganz freie Predigt war in Württemberg singulär. Sie war ein Protestschrei gegen das wenige Tage zuvor organisiert durchgeführte Novemberpogrom, bei dem auch in Württemberg zahlreiche Synagogen in Flammen aufgingen. Zudem verlas von Jan in diesem Gottesdienst – wie er es regelmäßig tat – Fürbitten für gemaßregelte bzw. inhaftierte Gemeindeglieder und Pfarrer aus der deutschlandweiten Liste der Bekennenden Kirche.


Die Predigt brachte von Jan nicht nur ein staatliches Strafverfahren, sondern auch ein kirchliches Aufsichtsverfahren ein, mit dem sich die Kirchenleitung gegenüber staatlichen Stellen ihrer Loyalität versicherte.


Quelle / Titel


  • © S. Hermle/J. Thierfelder, Herausgefordert, 484f. (Calwer-Verlag, Stuttgart)

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