Sozietät lehnt Treueid auf Hitler ab


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Im Gefolge der Hochstimmung über den Anschluss Österreichs ordnete der Evangelische Oberkirchenrat Stuttgart am 20. Mai 1938 an, dass alle Pfarrer und Kirchenbeamten eine Treueverpflichtung abzulegen hätten:


Ich gelobe: Ich werde dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe (G. Schäfer, Dokumentation 5, 994).


Bei den anzuberaumenden Verpflichtungsterminen sollte vor Ablegung des Eides darauf verwiesen werden, dass die Geistlichen dieses Gelöbnis gebunden an Ihr Ordinationsgelübde […] an Eides Statt ablegen (G. Schäfer, Dokumentation 5, 995).


Bereits drei Tage später protestierte die Kirchlich-Theologische Sozietät gegen diese Anordnung. Diese Sammlung junger Theologen, die sich konsequent an Bibel und Bekenntnis orientierten und von Karl Barth (1886–1968) beeinflusst waren, lehnte diesen Eid kategorisch ab. Ein Geistlicher könne wohl einen vom Staat geforderten Eid leisten, der Kirche aber sei es durch die Hl. Schrift und durch ihre Bekenntnisse verwehrt, einen Eid der Treue gegen die staatliche Obrigkeit abzuverlangen (G. Schäfer, Dokumentation 5, 995).


Die Landeskirche bestätigte jedoch ihre Anordnung in einem Hirtenbrief an die Pfarrer vom 4. Juni 1938 und auch die Evangelische Bekenntnisgemeinschaft wies am 17. Juni 1938 die Einwände der Sozietät zurück: weder von der Schrift noch vom Bekenntnis her sei ein Treueid abzulehnen. Doch die Sozietät beharrte auf ihrer Zurückweisung und bezichtigte Oberkirchenrat wie Bekenntnisgemeinschaft, die reformatorische Lehre von der notwendigen Trennung der beiden Gewalten umzudeuten in eine Lehre von ihrer notwendigen Vermischung (G. Schäfer, Dokumentation 5, 1023).


Die Mehrzahl der Pfarrer leistete im Juni und Juli 1938 den Treueid, die ca. 80 Mitglieder der Sozietät jedoch waren hierzu nicht bereit.


Als Reichsleiter Martin Bormann (1900–1945) am 13. Juli 1938 in einem Rundschreiben an die Parteiorganisationen erklärte, dieser kirchliche Eid sei für Partei und Staat bedeutungslos, war die Fragwürdigkeit dieser Aktion offenkundig.


Für die Sozietätsmitglieder hatte ihre Weigerung – mit einer Ausnahme – keine Folgen. Einer der führenden Köpfe der Sozietät, der Ebersbacher Pfarrer Hermann Diem (1900–1975), sah sich aufgrund seines Protestes disziplinarischen Maßnahmen ausgesetzt. Er hatte seiner Gemeinde trotz eines Verbots des Oberkirchenrates von der Kanzel die Eidesverweigerung bekannt gegeben. Daraufhin wurde er beurlaubt. Diem nahm jedoch weiterhin Amtshandlungen vor. Da er – so argumentierte er – sein Amt von der Gemeinde erhalten habe, könne es ihm auch nur durch die Gemeinde entzogen werden.


Der Kirchengemeinderat jedoch stand hinter Diem. Ein Briefwechsel Diems mit Landesbischof Theophil Wurm (1868–1953) und Gespräche zwischen Kirchengemeinderat und Vertretern des Oberkirchenrates führten zunächst zu keiner befriedigenden Lösung; im Gegenteil: Der Oberkirchenrat leitete am 12. Juli sogar ein förmliches Dienststrafverfahren ein. Am 18. Juli wurde Diem dann seines Dienstes enthoben. Erst als Diem am 21. Juli erklärte, es habe ihm fern gelegen, das Handeln der Pfarrerschaft in der Kirchenleitung bei der Anordnung und Ablegung des Treuegelöbnisses in seiner Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit in Zweifel zu ziehen, wurden Beurlaubung und Amtsenthebung aufgehoben (G. Schäfer, Dokumentation 5, 1072).


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Stuttgart D1, 112

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