Der Wittenberger Bund


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Als neutrale „Mitte“ wurden in kirchlichen Kreisen diejenigen Pfarrer und Gemeindemitglieder bezeichnet, die sich weder der Bekennenden Kirche noch den Deutschen Christen anschlossen. Der Bekennenden Kirche warfen sie Erstarrung in kirchlichem Dogmatismus vor, den Deutschen Christen Politisierung und Verweltlichung der Kirche.


Die „Mitte“ machte einen erheblichen Anteil des deutschen Protestantismus aus. Deshalb war sie ein wichtiger kirchenpolitischer Faktor. Das Fehlen gemeinsamer theologischer Überzeugungen und kirchenpolitischer Ziele erschwerte jedoch ihren Zusammenschluss zu einem handlungsfähigen Block.


Zu den wenigen Versuchen, eine organisierte kirchliche „Mittelpartei“ zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen zu bilden, gehörte vor allem der am 23. Juni 1937 gegründete „Wittenberger Bund“.


Im Gründungsaufruf dieses Bundes hieß es, evangelische Männer und Frauen, Gemeindeglieder und Pfarrer hätten sich zusammengeschlossen, um angesichts der Zerrissenheit der evangelischen Kirche den Wiederaufbau einer geeinten evangelischen Reichskirche herbeizuführen, die sich entschlossen auf den biblischen Glauben gründet und in Treue gegenüber dem Erbe der Reformation aufrecht und offen zum Reiche Adolf Hitlers steht.


Dem Wittenberger Bund gelang es zwar nicht, in allen Landeskirchen Pfarrer und kirchliche Laien zu sammeln, seine Führungsmitglieder betrieben jedoch aktiv eine Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche und unterstützten die Pläne von Reichskirchenminister Hanns Kerrl, eine einheitliche und vom Staat kontrollierte Reichskirche zu schaffen, in der alle Richtungen des deutschen Protestantismus zusammengefasst sein sollten.


Als 1939 Kerrls Versuch scheiterte, die Deutsche Evangelische Kirche auf Basis der „Godesberger Erklärung“ neu zu ordnen, verlor der Wittenberger Bund auf Reichsebene jede Bedeutung und blieb nur noch in einigen Landeskirchen aktiv.


Die Bekennende Kirche betrachtete die Aktivitäten der neutralen „Mitte“ mit Misstrauen und Sorge. So stellte der württembergische Landesbischof Theophil Wurm im April 1937 fest, die Aktionen der „Mitte“ seien dazu geeignet, die ganze Position der Bekennenden Kirche zu schwächen. Diese Sorge war umso begründeter, als der Reichskirchenminister bei der Durchsetzung seiner Kirchenpolitik stark auf die „Mitte“ setzte.


Den Wittenberger Bund rechnete die Bekennende Kirche – weitgehend zutreffend – zu den gemäßigten Deutschen Christen. Seinen Mitgliedern warf sie Bequemlichkeit und Entscheidungsscheu vor.


Quelle / Titel


  • ©Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, Bestand 1, Nr. 1271, Bl. 88.

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