Kirchenleitung: Zwischen Zustimmung und Protest


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Während der Regierungsantritt Hitlers am 30. Januar 1933 von der Mehrheit der bayerischen Pfarrer und Gemeinden freudig begrüßt wurde, hüllte sich die Kirchenleitung unter Kirchenpräsident Friedrich Veit (1861–1948) in Schweigen. Angesichts der politischen Herausforderungen und Veits ablehnender Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus erschien er nicht länger als der geeignete Mann, um die Landeskirche zu führen. Unter dem Druck nationalsozialistisch gesinnter Pfarrer und aus Furcht vor einer revolutionären Machtübernahme durch die Deutschen Christen wurde Veit aus den kirchenleitenden Gremien heraus schließlich zum Rücktritt gedrängt.


In dieser Situation gab der Landeskirchenrat zum Osterfest 1933 eine Kundgebung heraus, in der er den NS-Staat dankbar und freudig begrüßte und der Mitarbeit der Kirche versicherte. Dahinter stand die Hoffnung, der neue Staat werde sich auf eine christliche Grundlage stützen, die Kirche aufwerten und die Rechristianisierung des Volkes herbeiführen. Dabei blendete der Landeskirchenrat völlig aus, dass das NS-Regime mit seiner Rache an politischen Gegnern und dem Boykott jüdischer Geschäfte bereits sein menschenverachtendes und verbrecherisches Gesicht gezeigt hatte.


Aus Furcht vor einem Übergriff auf die Kirche grenzte sich der Landeskirchenrat in seiner Kundgebung jedoch auch gegen den Totalitätsanspruch der Nationalsozialisten ab. Dazu erklärte er, dass die kirchliche Botschaft von politischen Veränderungen nicht berührt werde und dass die Kirche ihren Auftrag eigenverantwortlich zu erfüllen habe.


Hier zeichneten sich bereits die Grundlinien ab, die für den Kurs der am 4. Mai 1933 von der Landessynode neu gewählten Kirchenleitung bestimmend wurden: einerseits partielle Zustimmung zum NS-Staat, andererseits Protest gegen Versuche, die Landeskirche gleichzuschalten und ihr Bekenntnis zu verfälschen.


Zum neuen Kirchenpräsidenten wählte die Synode Oberkirchenrat Hans Meiser (1881–1956), der - obwohl selbst kein Nationalsozialist - den neuen Machthabern gegenüber als aufgeschlossen galt. Zugleich wurde das Amt des Kirchenpräsidenten in das Amt eines Landesbischofs umgewandelt und nach dem Vorbild des staatlichen Ermächtigungsgesetzes vom März 1933 mit autoritären Vollmachten ausgestattet. Damit sollte die Handlungsfähigkeit der Landeskirche in den neuen politischen Verhältnissen sichergestellt werden.


Die Amtseinführung Meisers am 11. Juni 1933 geriet noch zu einer Demonstration des guten Einvernehmens zwischen Staat und Kirche (C. Nicolaisen, Herrschaft, 302). Dies sollte sich jedoch bald ändern. Schon 1933/34 sah sich die Kirchenleitung wiederholt gezwungen, gegen einzelne kirchenpolitische Maßnahmen von Staats- und Parteistellen zu protestieren, vor allem auf dem Gebiet der Jugendarbeit und der Schule.


Das Hauptkampffeld war jedoch die Verteidigung der Landeskirche gegen die Machtansprüche der von Hitler protegierten Deutschen Christen. Bei den Kirchenwahlen im Juli 1933 konnten sie auch in Bayern an Boden gewinnen. Durch Entgegenkommen und eine geschickte Personalpolitik gelang es Meiser allerdings, dass die bayerischen Deutschen Christen sich seiner Autorität unterstellten und so eine Spaltung der Landeskirche verhindert wurde.


Am Kampf gegen die Deutschen Christen beteiligte sich die bayerische Kirchenleitung auch auf Reichsebene. Als im Herbst 1933 deutlich wurde, dass Reichsbischof Ludwig Müller (1883–1945) die Kirche nicht nur organisatorisch, sondern auch ideologisch mit dem NS-Staat gleichschalten wollte, übernahm die bayerische Landeskirche eine führende Rolle beim Zusammenwachsen der innerkirchlichen Opposition zur Bekennenden Kirche.


Im Herbst 1934 wurde die Landeskirche dann selbst zur Zielscheibe der Gleichschaltungspolitik des Reichsbischofs. Sein mit Unterstützung politischer Stellen unternommener Versuch, die Landeskirche gewaltsam in die Reichskirche einzugliedern, scheiterte jedoch am nahezu geschlossenen Widerstand von Landesbischof, Kirchenleitung, Pfarrern und Gemeindegliedern. Bekenntnis, Verfassung und rechtmäßiges Kirchenregiment der bayerischen Landeskirche blieben erhalten.


Gegenüber kirchenpolitischen Erwartungen und Forderungen des NS-Staates zeigte sich die Kirchenleitung unter Landesbischof Meiser jedoch immer wieder kompromissbereit. So stimmte Meiser bei der Wahl des Reichsbischofs im September 1933 für den „Vertrauensmann des Führers“, den Deutschen Christen Ludwig Müller, und stellte sich auf Druck Hitlers im Januar 1934 trotz Müllers bekenntniswidrigem Verhalten nochmals hinter ihn.


Gegen politische Maßnahmen von Staat und Partei protestierte die Kirchenleitung nur in wenigen Ausnahmefällen. Auf öffentliche Kritik an der Politik des NS-Staates verzichtete sie ganz. Hier mischten sich partielle Zustimmung zum Nationalsozialismus und eine lutherische Tradition, nach der es nicht zu den Aufgaben der Kirche gehörte, bei politischen Angelegenheiten mitzuwirken oder staatliche Maßnahmen zu kritisieren.


Den wahren Charakter des Nationalsozialismus konnten oder wollten die kirchlichen Verantwortlichen nicht sehen. Wie fast dem gesamten deutschen Protestantismus fehlte ihnen zudem das theologische Instrumentarium, um mit der Politik des totalitären NS-Regimes umzugehen.


So waren es auch in Bayern nur wenige Einzelne wie Karl-Heinz Becker, Wilhelm Freiherr von Pechmann oder Karl Steinbauer, die schon früh für die entscheidenden Probleme einen klaren Blick hatten (F. W. Kantzenbach, Der Einzelne, 197). Sie sahen nicht nur die grundsätzliche Unvereinbarkeit von Christentum und NS-Ideologie, sondern erkannten auch den verbrecherischen Charakter des neuen Staates. Sie erhofften sich von der Kirchenleitung ein klares Wort. Ihre Appelle blieben jedoch weitgehend ungehört.


Quelle / Titel


  • © Landeskirchliches Archiv Nürnberg, LKR XVII 1758

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