Hans Meiser: Warnung vor Vergottung des Staates


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Hans Meiser (1881–1956), ab Mai 1933 erster Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, stieg während der Weimarer Republik beständig in der kirchlichen Hierarchie auf. Durch unbedingte Treue zum lutherischen Bekenntnis, außerdordentlichen Fleiß, hohes Organisationstalent, große Führungsstärke und Fähigkeit zum Ausgleich empfahl er sich schon früh für kirchenleitende Positionen.


Nachdem er bereits als Vereinsgeistlicher der Inneren Mission in Nürnberg und als Pfarrer in München hohes Ansehen gewonnen hatte, wurde er 1922 zum Direktor des neu gegründeten Predigerseminars in Nürnberg und 1928 zum Oberkirchenrat in die Münchner Kirchenleitung berufen. Am Ende der Weimarer Republik galt Meiser in der Landeskirche als der kommende Mann.


In der Kaiserzeit geprägt, konnte Meiser wie die große Mehrheit des deutschen Protestantismus zur religiös neutralen parlamentarischen Demokratie kein positives Verhältnis gewinnen. Er blieb in der Vorstellung einer christlichen Obrigkeit befangen, nach denen es sich beim Staat um eine göttliche Ordnung handelte, der ein Christ Gehorsam zu leisten hatte.


Das Ende des Staatskirchentums 1918 betrachtete er als Verlust, sah aber auch die großen Chancen, die sich für die Kirche durch die neu gewonnene Unabhängigkeit vom Staat boten. Über die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung in der Weimarer Republik fällte er vernichtende Urteile und betrachtete sie als einen einzigen Verfall.


Seinem Amtsverständnis als Pfarrer entsprechend, kam für Meiser ein parteipolitisches Engagement nicht in Frage. Sein Urteil über die Parteien maß sich vor allem an ihrer Haltung gegenüber Christentum und Kirche. Deshalb schieden die linken Parteien für ihn von vornherein aus, die er mit Gottlosigkeit, Kirchenfeindschaft und Sittenverfall identifizierte.


Er sympathisierte am ehesten mit dem konservativen und betont evangelischen Christlich-Sozialen Volksdienst, einer Abspaltung der Deutschnationalen Volkspartei. Er wahrte jedoch die von den Pfarrern geforderte parteipolitische Neutralität und verzichtete darauf, öffentlich für eine bestimmte Partei Stellung zu nehmen.


Erst als sich in der Endphase der Weimarer Republik bayerische Pfarrer aktiv an den harten parteipolitischen Kämpfen beteiligten und für die Nationalsozialisten agitierten, äußerte sich Meiser im „Korrespondenzblatt für die evangelisch-lutherischen Geistlichen in Bayern“ zu den Parteien und nahm dabei auch zum Nationalsozialismus Stellung.


In seinem Neujahrswort „Not und Verheißung“ von Anfang 1931 sah er die Parteien der Rechten vielfach in der Gefahr, die nationale Bewegung zur religiösen Ersatzform zu machen, und durch Vergottung des Volkstums oder des Staatsgedankens die Reinheit der christlichen Staatsidee zu trüben und ... durch „die Deifikation [= Vergottung] des Staates“ „die Bestifikation des Menschen“ heraufzubeschwören.


Zugleich stellte er jedoch fest, die Kirche könne an den bewußt kirchlichen Kräften innerhalb des Nationalsozialismus … nicht achtlos vorübergehen. Sie werde sich zwar keiner Partei verschreiben, aber an ihrem Teil in allen Parteien den Kräften zum Durchbruch zu verhelfen suchen, die über den bloßen Alltag und seinen Kampf emporstreben und unserem Volk ewige Werte zu erobern trachten.


Quelle / Titel


  • © Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, KK 3.4850

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