Bauern: Abstimmung gegen Gemeinschaftsschule


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Die NS-Machthaber bekämpften den öffentlichen Einfluss der Kirchen besonders auf dem Gebiet der Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Dazu begannen sie auch in Bayern mit der Beseitigung der Bekenntnisschulen und propagierten die flächendeckende Einführung der Gemeinschaftsschule. Zur Begründung hieß es, die Bekenntnisschulen würden den konfessionellen Frieden stören und die Erziehung zur Volksgemeinschaft gefährden. Zudem behaupteten sie, der christliche Charakter der Gemeinschaftsschule sei durch den Religionsunterricht ausreichend gewährleistet. Die bayerische Kirchenleitung befürchtete jedoch, dass der NS-Staat in den Gemeinschaftsschulen den christlichen Einfluss ausschalten und stattdessen die Weltanschauung Alfred Rosenbergs (1893–1946) einführen wollte.


Deshalb ermahnte Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) die evangelischen Eltern schon in einer Kanzelabkündigung vom Dezember 1933, ihre Kinder auf Bekenntnisschulen zu schicken, und verwies dazu auf das im bayerischen Staatskirchenvertrag von 1924 verbürgte Recht auf Einrichtung evangelischer Schulen. Welche Schärfe der Kampf um die Bekenntnisschule annehmen würde, zeichnete sich schon einen Monat später ab, als die NSDAP einen weiteren Aufruf Meisers zur Schulfrage als Sabotageakt und Beleidigung Hitlers bewertete. Akut wurde der Kampf um die Bekenntnisschule ab 1935, als die Nationalsozialisten unter der Parole der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ in allen gesellschaftlichen Bereichen die Beseitigung des Einflusses der Kirchen betrieben.


Zur Ausschaltung der Bekenntnisschulen in Bayern nutzten sie zunächst schulrechtliche Sonderregelungen, nach denen Eltern in Städten wie Nürnberg, München und Weißenburg bei der Schuleinschreibung regelmäßig die Schulart wählen mussten. Im Vorfeld der Schuleinschreibungen wurden Lehrer und Eltern von Staats- und Parteistellen massiv unter Druck gesetzt und durch Drohungen und Zwang dazu gebracht, für die Gemeinschaftsschule zu votieren. Während die Kirche keine Möglichkeit hatte, in der gleichgeschalteten Presse ihren Standpunkt zu vertreten, konnten die Nationalsozialisten ihren gesamten Propagandaapparat auffahren, um die Bevölkerung auf die Gemeinschaftsschule einzuschwören.


Kirchenleitung, Dekane und Pfarrer protestierten in zahlreichen Eingaben an Staats- und Parteistellen gegen den offenbaren Rechtsbruch und den auf die Eltern ausgeübten Zwang. In den Auseinandersetzungen um die Bekenntnisschule exponierten sich besonders Helmut Kern (1892–1941) und Kurt Frör (1905–1980), die von der Kirchenleitung mit der Führung des Schulkampfes beauftragt worden waren. Wie im Herbst 1934 fuhr im Dezember 1936 sogar eine Abordnung Nürnberger Laien nach Berlin, um im Reichserziehungsministerium zu protestieren. Die NS-Machthaber stellten den auf die Eltern ausgeübten Druck jedoch als „Aufklärung“ der Bevölkerung hin, gaben die Schuld am Schulkampf der Kirche und erklärten die Einschreibungen für die Gemeinschaftsschule für rechtsgültig.


Als in den betroffenen bayerischen Städten Anfang 1937 über 90% der Eltern ihre Kinder für die Gemeinschaftsschulen eingeschrieben hatten und die dortigen Bekenntnisschulen abgeschafft wurden, begann der bayerische Kultusminister Adolf Wagner (1890–1944), auch die noch verbliebenen Bekenntnisschulen auf dem Land zu beseitigen. Dabei ging er mit denselben Methoden vor wie zuvor in den Städten. Umso mutiger war das Verhalten einiger Bauern, die im März 1937 auf einer Gemeindeversammlung gegen den Willen der anwesenden Parteivertreter eine Abstimmung durchsetzten, die für die Bekenntnisschule ausging. Sein Ziel erreichte Kultusminister Wagner freilich trotzdem: Wie zuvor schon in Württemberg waren die Bekenntnisschulen in Bayern zum Jahreswechsel 1937/38 beseitigt.


Quelle / Titel


  • © Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, A 30.6

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