Verehrung für Landesbischof Hans Meiser


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Das „kollektive Widerstandserlebnis" vom Oktober 1934 und die Selbststilisierung der bayerischen Landeskirche zur Widerstandsorganisation gegen den Nationalsozialismus wurden bereits zu seinen Lebzeiten auf Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) projiziert. Er genoss in der Nachkriegszeit und in der jungen Bundesrepublik höchstes Ansehen in der kirchlichen und außerkirchlichen Öffentlichkeit, bei Politikern und auch bei jüdischen Gemeinden.


Neben seiner Standhaftigkeit beim Kampf um die Selbstständigkeit der Landeskirche im Nationalsozialismus kamen hier auch seine Verdienste bei der Integration der Flüchtlinge und beim kirchlichen Wiederaufbau in der Nachkriegszeit zum Tragen. Er erhielt in- und ausländische Ehrendoktortitel, die Ehrenbürgerwürde der Stadt Ansbach und das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.


Vier Tage nach Meisers Tod am 8. Juni 1956 kündigte der Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer (1884–1967) an, die Stadt München werde ihm für alle Zeiten ein ehrendes Andenken bewahren (Stadtratsprotokoll, zitiert nach M.-C. Schobel, Benennung, 5). Zu Meisers Beerdigung in Nürnberg strömten Tausende.


Die damalige Sicht auf den früheren Landesbischof fasste Matthias Simon 1960 in einem Lebensbild zusammen: Überwältigend kam bei seiner Beisetzung … zum Ausdruck, mit welcher Liebe seine Kirche an ihm hing und wie allgemein und tief die Trauer um ihn war. Es waren nicht bloß menschliche, natürliche Gefühle, die da lebendig wurden. In Meiser war ein Mann heimgegangen, der in prophetischer Größe auf der Kanzel und vor den Gewalthabern dieser Welt gestanden hatte. (M. Simon, Meiser, 416f.)


Schnell kam es zu zahlreichen Ehrungen Meisers im kirchlichen und öffentlichen Raum, die dauerhaft an ihn erinnern sollten. Die Städte München, Nürnberg, Ansbach, Bayreuth, Schwabach, Weiden in der Oberpfalz sowie die Gemeinde Pullach bei München benannten Straßen nach ihm. Im Vorfeld der Straßenbenennung in München hieß es, Meiser sei ein furchtloser Gegner des Nationalsozialismus gewesen (Schreiben des Stadtbaurats an das Stadtarchiv vom 18.1.1957, zitiert nach M.-C. Schobel, Benennung, 8). Viele Kirchengemeinden benannten ihre Gemeindehäuser oder andere kirchliche Gebäude nach Meiser. Auch die von ihm mitinitiierte Augustana-Hochschule in Neuendettelsau nannte ein Gebäude „Meiser-Haus“.


Von tiefer Verehrung geprägt war auch die Memorialliteratur wie Julius Schieders 1956 erschienenes Buch D. Hans Meiser DD. Wächter und Haushalter Gottes. Kritik am früheren Landesbischof wurde dabei allenfalls im Zusammenhang seines Verhaltens bei den Auseinandersetzungen in der Bekennenden Kirche während des Kirchenkampfes angedeutet.


Meiser selbst hatte keine Gelegenheit mehr, seine eigene Sicht auf seine Rolle während der nationalsozialistischen Herrschaft darzulegen. Seine Pläne, eine auf seinen umfangreichen Mitschriften von Sitzungen wichtiger kirchlicher Gremien basierende Darstellung zu verfassen, konnte er nicht mehr verwirklichen.


Die nahezu kritiklose Verehrung Meisers in Bayern entsprach der gesamtgesellschaftlichen Mentalität in der jungen Bundesrepublik, die von der Verdrängung der Verstrickungen in den Nationalsozialismus und der Konzentration auf den Wiederaufbau bestimmt war.


Zur Verehrung Meisers, eines Landesbischofs, der während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft amtiert hatte, gab es in anderen Landeskirchen keine Parallele. Dazu fehlten allerdings auch die Voraussetzungen, denn außer dem württembergischen Landesbischof Theophil Wurm waren die übrigen Bischöfe ganz oder teilweise korrumpiert. Die beispiellose Verehrung der 1950/60er Jahre bildete eine Voraussetzung dafür, dass es in jüngster Zeit zu einer nicht minder beispiellosen Demontage Hans Meisers kommen konnte.


Quelle / Titel


  • © 1+2: Privatbesitz Hans Christian Meiser, München; Fotos: Nora Andrea Schulze, München

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