Protestanten in der Weimarer Republik


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Der Schock infolge von Kriegsniederlage und Revolution 1918 wirkte bei den deutschen Protestanten lange nach. Ihre tiefe Bindung an den monarchischen Nationalstaat wilhelminischer Prägung überdauerte dessen Zusammenbruch. Die Mehrheit der deutschen Protestanten standen daher der demokratischen, weltanschaulich neutralen Weimarer Republik skeptisch bis ablehnend gegenüber.


Die evangelischen Kirchen konnten den Verlust der engen Verbindung von Thron und Altar nie ganz überwinden. Obgleich sie in der Weimarer Verfassung von 1919 einen privilegierten Status erhalten hatten, blieben Bedrohungsängste, die in der Revolutionszeit angesichts kirchen- und christentumsfeindlicher Vorstöße entstanden waren.


Jedoch sah man auch die Möglichkeiten, die sich nach 1919 für die evangelische Kirche boten, nachdem sie vom landesherrlichen Episkopat frei geworden war und über sich selbst verfügen konnte. Im 19. Jahrhundert begonnene Einigungsbestrebungen führten 1922 zur Gründung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes. Dessen politische Linie wurde aber ganz vom Konservatismus der Landeskirchen bestimmt.


In der Theologie gab es zahlreiche neue Strömungen, die vor allem von jüngeren Theologen getragen wurden. Vertreter der Lutherrenaissance entdeckten Luther als Theologen neu, Dialektische Theologen betonten das radikale Anderssein Gottes jenseits der menschlichen Verfügbarkeit und brachen mit der als kulturselig erachteten liberalen Theologie der Vorkriegszeit.


Die Absolutheit des Christentums wurde betont, statt historischem Denken dominierte nun ein theologisches Vorgehen, das zwar einerseits die Bedeutung der Evangeliumsverkündigung betonte, aber andererseits mit seiner allumfassenden Krisendiagnostik eng mit den – zumeist – antidemokratischen politischen Diskursen der Zeit inhaltlich und personell verschränkt war.


In der Vorkriegszeit geprägte Liberale fanden z. T. zu einem positiven Verhältnis zur Republik, die Religiösen Sozialisten, die eine Annäherung von Kirche, Arbeiterschaft und Sozialdemokratie anstrebten, blieben eine von den Kirchenleitungen kritisch beäugte Minderheit.


Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde im deutschen Protestantismus ein alter religiöser Antijudaismus von einem modernen, teils politisch-kulturell teils auch schon rassistisch bestimmten Antisemitismus überlagert. In der Weimarer Zeit trieb die „Judenfrage“ auch die kirchliche Mitte um. Gegen die weit verbreiteten Vorwürfe, die Juden seien für die Kriegsniederlage, die Revolution und das „Weimarer System“ verantwortlich, kämpfte der Verein zur Abwehr des Antisemitismus, in dem liberale Pfarrer und Theologen aktiv waren.


Die politische und ökonomische Krise der Republik seit 1930 führte zusammen mit einer Blindheit nach rechts dazu, in der Propaganda der Rechten bis hin zur NSDAP mit ihren pseudoreligiösen Phrasen Alternativen zur zerrütteten Republik zu erkennen. Im protestantischen Milieu verbreitete ideologische und theologische Überzeugungen ermöglichten den Nationalsozialisten diese positive Resonanz.


Protestantischen Widerspruch gegen den Nationalsozialismus löste die Rassenideologie aus: zu sehr dominiere das Blut die Ideologie und zu schwach sei die Berücksichtigung des christlichen Schöpfungsgedankens. Nur wenige Protestanten lehnten den Nationalsozialismus und seine Rassenideologie gänzlich ab, darunter vor allem liberale Theologen und Religiöse Sozialisten.