Die Bedeutung des Glaubens


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Helmuth James Graf von Moltke gehörte zu den Oppositionellen gegen Hitler, deren Widerstandshaltung am stärksten auf den Grundprinzipien seines christlichen Glaubens aufbaute. An seinen Freund Lionel Curtis schrieb er im April 1942:


Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich in Gesprächen vor dem Kriege der Meinung war, dass der Glaube an Gott nicht wesentlich sei, um dahin zu kommen, wo wir jetzt sind. Heute weiß ich, dass ich Unrecht hatte, ganz und gar Unrecht. Sie wissen, dass ich die Nazis vom ersten Tag an bekämpft habe, aber der Grad von Gefährlichkeit und Opferbereitschaft, der heute von uns verlangt wird und vielleicht morgen von uns verlangt werden wird, setzt mehr als gute ethische Prinzipien voraus.


Moltke hatte sich seit der Kriegszeit immer intensiver mit der Bibel beschäftigt und regelmäßig Gottesdienst- und Bibelauslegungsstunden besucht. Zunehmend stärker wurde ihm die Gemeinde als Kirche vor Ort zum Lebensmittelpunkt. Sein persönlicher Glaube wurde immer Christus-orientierter.


Er stand nie in der Versuchung, sich der Bewegung der Deutschen Christen, die ein von jüdischen Elementen gereinigtes Evangelium forderten, anzuschließen. Moltkes Glaube an den „Juden Jesus“ als Christus der Welt ließ keinen religiösen, rassischen oder politischen Antisemitismus zu.


Der Briefauszug vom 28./29. Dezember 1944 zeigt, wie sehr sich Moltke mit Glaubensfragen beschäftigte und wie er seine Situation vor dem Hintergrund der ganzen biblischen Botschaft reflektierte.


Nach seiner Verhaftung am 19. Januar 1944 wurde diese Beschäftigung mit Glaube und Theologie noch intensiver. Insgesamt fünfmal las Moltke in einer Art Dauerreflexion biblisch-theologischer Fragen die Bibel und arbeitete theologische Bücher durch, darunter allein 42 Lutherschriften.


Vermutlich verstand er die christliche Botschaft als radikalen Gegenentwurf zur nationalsozialistischen Ideologie, als Fundament für eine andere personale und soziale Ethik und für ein anderes praktisches Alltagsleben. Für Hanns Lilje, den Gefängnisgenossen, war Moltke deshalb als Christ ... der klarste und selbstverständlichste unter uns. In ihm war noch die volle Substanz des Glaubens gegenwärtig; es gab bei ihm jene Skepsis nicht, die auch der Reifste und Gläubigste zuzeiten nur durch Kampf und Anstrengung überwindet (Lilje, Tal, 82).


Quelle / Titel


  • © Deutsches Literaturarchiv Marbach, Nachlass von Moltke

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