Moltke und die Bibel


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Moltke las seit Kriegsbeginn Texte aus dem Alten und Neuen Testament. Er las sie nicht nur im Kontext ihrer Entstehung, sondern zugleich als Hilfen zur Interpretation seiner aktuellen Situation.


Er entdeckte, dass die Leidensgeschichte Jesu ihre Fortsetzung in dem Leiden der Menschen der eigenen Zeit gefunden hat. Er erkannte, dass Szenen aus dem Alten und Neuen Testament Vorzeichen (Vorschattungen) für das Hier und Heute sind. Alles ist hier zur Sprache gebracht, was die eigene Zeit zuhauf hat: Rechtlosigkeit und Willkür, Mord und Totschlag, Ausbeutung und Raub, Unterdrückung und Ausrottung.


Die Bibel wurde ihm das Buch der realen Menschheitsgeschichte. Aber sie wurde ihm auch das Hoffnungsbuch. Schon die großen Propheten boten die Rettung an: die Rückkehr zu den lebenserhaltenden und lebensschützenden Geboten Gottes. Und die Verkündigung des Jesus von Nazareth enthielt, was zum Menschsein des Menschen zu sagen ist. Und die apostolische Verkündigung über Jesus als den Christus enthielt, was der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn der Menschen und der Welt an Wahrheit und Erkenntnis für die eigene Existenz bedeuten kann.


Die konsequente Konzentration auf die apostolische Verkündigung ließ Moltke ein radikales Nein zum neuheidnischen Religionsersatz des Nationalsozialismus sagen. Hier hatte sein Widerstand den Urgrund.


Quelle / Titel


  • © Deutsches Literaturarchiv Marbach, Nachlass von Moltke