Verfolgung und „Duldung“: Liberale Theologen


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Eine zahlenmäßig kleine Gruppe, die sich weder von der nationalen Euphorie anstecken noch vom Nationalsozialismus und seiner Propaganda beeindrucken ließ, stellte auf evangelischer Seite die Gruppe liberaler Theologen dar, darunter namhafte Universitätstheologen wie Hermann Mulert, Martin Rade, Otto Baumgarten, Rudolf Otto, Martin Dibelius, auch Paul Tillich und Rudolf Bultmann.


Die Nationalsozialisten traten von Anfang an mit einer betont antiliberalen Haltung auf. Letztlich waren es die westlichen, liberalen Denktraditionen, wie sie sich seit der Französischen Revolution entwickelt hatten, die für alle vermeintlichen Fehlentwicklungen der Weimarer Republik – Parteien, Parlamentarismus, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte etc. – verantwortlich gemacht wurden.


Die politischen Vorbehalte wurden auf andere vom Liberalismus geprägte Bereiche direkt übertragen. Die liberalen Theologen standen daher mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gänzlich auf verlorenem Posten. Wo sie anfangs noch in der Kirchenverwaltung oder an der Universität tätig waren, machten sie aus ihrem Denken zwar kein Geheimnis, wurden dann aber zumeist vorzeitig in den Ruhestand oder aus sonstigen, häufig fadenscheinigen Gründen aus ihren Positionen verdrängt.


Hermann Mulert (1879–1950) beispielsweise war seit 1920 als ordentlicher Professor für Systematische Theologie an der Universität Kiel tätig. Bis zu deren Auflösung 1933 war er Mitglied der DDP, als liberaler Theologe gehörte er dem Protestantenbund und dem Volkskirchenbund an. Für die Ziele der NS-Regierung konnte er keine Sympathien aufbringen. Als Chefredakteur der „Christlichen Welt“ verbreitete Mulert seit 1932 liberales Gedankengut gegen die NS-Ideologie. Mulert kritisierte sowohl die Aufgabe rechtsstaatlicher Prinzipien wie auch die antijüdische Politik der Nationalsozialisten. 1941 erfolgte die Einstellung der Zeitschrift.


Mulerts Entlassung aus dem Dienst als Universitätsprofessor wurde 1935 vollzogen. In Vorwegnahme seiner anhängigen Entfernung aus dem Dienst durch die Nationalsozialisten stellte er 1935 selbst sein Entlassungsgesuch. Mulert unterstützte Gegner des Nationalsozialismus auf finanzielle Weise. Bei Kriegsbeginn zog er in sein sächsisches Heimatdorf Niederbobritzsch, wo er im Nachbarort eine kriegsbedingt verwaiste Pfarrstelle verwaltete. Die liberalen Theologen blieben ein unangepasstes Element im NS-Staat, wenngleich ihre Einflussmöglichkeiten mit der Zeit schwanden.


Quelle / Titel


  • ©Privatbesitz Mulert

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