Verweigerte Solidarität


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Zwei Tage vor dem von den Nationalsozialisten organisierten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 wandte sich die „Reichsvertretung der deutschen Juden“ hilfesuchend an die Leitung der evangelischen Kirche (wie auch an den Vorsitzenden der deutschen katholischen Bischofskonferenz). Man erhoffte ein Wort der Solidarität, auch im Interesse der allgemeinen Religionsfreiheit.


Bereits mit Schreiben vom 24. März 1933 regte der amerikanische Kirchenbund (Federal Council of the Churches of Christ in America) an, gemeinsam mit dem deutschen evangelischen Kirchenbund eine Erklärung zu veröffentlichen, die den Antisemitismus für unchristlich erklärt. Die erbetene Solidaritätsbekundung unterblieb nicht nur, die Kirchenleitung sah sich im Gegenteil sogar dazu berufen, vor der Greuelpropaganda aus dem Ausland zu warnen.


Der Grund hierfür war wohl eine Mischung aus Verdrängung, Beschwichtigung, Verharmlosung und latenter eigener Judenfeindschaft. Hier wirkten nicht nur die jahrhundertealten Traditionen des religiösen Antijudaismus nach, sondern auch die antisemitischen Thesen des einflussreichen Hofpredigers Adolf Stoecker (1835–1909). Seine Judenfeindschaft war vor allem wirtschaftlich und kulturell motiviert.


Viel zitiert wurde in kirchlichen Kreisen Stoeckers Ausspruch, er habe zwar eigentlich nichts gegen die Juden in Jerusalem, wohl aber etwas gegen die in der Jerusalemer Straße, einem Geschäftsviertel in Berlin. Stoeckers Antijudaismus und seine antisemitischen Thesen haben die nachrückende Theologengeneration bis in die NS-Zeit hinein nachdrücklich geprägt.


Quelle / Titel


  • ©Evangelisches Zentralarchiv in Berlin, Best. 7 Nr. 3688

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