Zivile Widerstandsgruppen


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Während der Naziherrschaft gab es eine Reihe ziviler Widerstandsgruppen, die keine aktiven Umsturzpläne hegten oder konkrete Sabotage- oder Gewaltakte gegen das Regime unternahmen. Vielmehr trafen sie sich in Privatwohnungen, bildeten sogenannte Kreise und diskutierten und entwarfen Pläne für die Zeit nach der NS-Herrschaft.


Im Freiburger Kreis zum Beispiel fanden Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, evangelische und katholische Christen zu einem Gesprächskreis zusammen, der monatlich tagte. Den Impuls für diese Treffen gab das Novemberpogrom 1938. Es wurde jeweils ein Referat gehalten, an das sich eine Diskussion anschloss. Themen waren die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie die Frage nach dem Verhältnis der Christen zum nationalsozialistischen Staat.


Im Freiburger Kreis entstanden Denkschriften zu christlich-sozialethischen Grundsätzen für ein Nachkriegsdeutschland, eine Denkschrift zur Innen- und Außenpolitik sowie zum Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Individuum; zudem beschäftigten sich einzelne Mitglieder des Gesprächskreises mit der Neuordnung der Wirtschaft und leisteten dabei wichtige Vorarbeiten für die spätere „soziale Marktwirtschaft“. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurden zahlreiche Mitglieder des Kreises verhaftet – unter ihnen Clemens Bauer, Franz Böhm, Constantin von Dietze, Adolf Lampe, Friedrich Justus Perels und Gerhard Ritter.


Eine weitere Widerstandsgruppe sammelte sich um die Ehefrau des 1936 verstorbenen deutschen Botschafters in Tokio, Hanna Solf. In ihrem Kreis („Solf-Kreis“) brachte sie Gleichgesinnte zusammen, vorwiegend Diplomaten und Akademiker, um sich über ihre Ablehnung des Nationalsozialismus auszutauschen. Die Gruppe plante weder ein Attentat, noch wurden Konzepte für die Nachkriegszeit entwickelt; allerdings standen einzelne Mitglieder mit Personen in Verbindung, die in anderen Zirkeln entsprechende Überlegungen anstellten.


Als Mitglieder des Solf-Kreises am 10. September 1943 bei Elisabeth von Thadden als Teegesellschaft getarnt tagten, gelang es der Gestapo, einen Spitzel einzuschleusen. Daraufhin wurden fast alle Teilnehmer des Kreises verhaftet. Elisabeth von Thadden, Mitglied der Bekennenden Kirche und bis zur zwangsweisen Schließung Leiterin eines Internats mit ausgeprägt christlicher Identität, wurde am 1. Juli 1944 wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 8. September in Berlin-Plötzensee hingerichtet.


Heute besonders bekannt ist die Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“. Erstmals zu Pfingsten 1942 traf sich im niederschlesischen Kreisau auf dem Gut des Grafen von Moltke ein Freundeskreis, der Pläne für die politisch-gesellschaftliche Neuordnung Deutschlands nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft diskutierte.


Der Kreisauer Kreis führte Personen unterschiedlicher sozialer, ideologischer, konfessioneller und politischer Prägung zusammen: Adelige wie Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg, Theologen wie die Katholiken Alfred Delp und Augustin Rösch oder die Protestanten Eugen Gerstenmaier und Harald Poelchau, Sozialdemokraten wie Julius Leber oder Carlo Mierendorff, aber auch den im Auswärtigen Amt als Jurist tätigen Adam von Trott zu Solz oder den von den Nationalsozialisten seines Amtes enthobenen Oberpräsidenten der preußischen Provinz Oberschlesien Hans Lukaschek.


Im Mai 1942 wurde eine „Grundsätzliche Erklärung“ formuliert, die Überlegungen zu einer Neugestaltung von Staat und Gesellschaft nach dem Ende der Hitler-Diktatur enthielt; später folgten weitere Papiere, die auf eine Wiederherstellung eines „humanen“ Rechtsstaates abzielten, dem christlichen Glauben eine zentrale Rolle bei der Neugestaltung zuwiesen und auch die Bestrafung der nationalsozialistischen Verbrecher forderten.


Obwohl der Kreisauer Kreis nicht in die militärischen Umsturzpläne involviert war, wurden nach dem gescheiterten Attentat fast alle seine Mitglieder verhaftet und die führenden Köpfe durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, da sich einige Mitglieder des Kreises der Stauffenberg-Gruppe angeschlossen hatten.


Quelle / Titel


  • © Reproduktion: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

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