Stellung der Bevölkerung zum Regime


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Für die beiden letzten Kriegsjahre kann von einer allgemeinen Zustimmung zum NS-Regime nicht mehr gesprochen werden. Trotzdem war die große Mehrheit der Deutschen, waren Kirchen und andere Institutionen von einem aktiven Widerstand gegen das Regime, gegen die Partei und Staatsführung bis zuletzt weit entfernt.


Das zeigte sich auch an den Reaktionen auf das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944. Die SD-Berichte sprechen in diesem Zusammenhang von einem allgemeinen Schreck über das Attentat und darüber, dass die Bevölkerung erleichtert aufgeatmet habe, dass der Führer dem Anschlag nicht zum Opfer gefallen sei.


Allerdings blieb den Herrschenden nicht verborgen, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung seit der Jahreswende 1943/44 dem Tiefpunkt zubewegte. Dies zeigt anschaulich ein Bericht, der für die Parteikanzlei am 29. November 1943 erstellt wurde:


Ein stärkeres Absinken des Vertrauens sei vor allem gegenüber den öffentlichen Führungsmitteln festzustellen. Hier hätten die zeitweiligen Bemühungen, das wahre Bild ernster Lagen zu verschleiern oder bedrohliche militärische Entwicklungen zu bagatellisieren, z. B. ,aus Rückzügen Erfolge zu machen‘, oder ,gestern als wertvoll bezeichnete Gebiete heute als nicht so bedeutungsvoll hinzustellen‘, oder ,Zeiten des Abwartens und Schweigen müssen durch Verlegenheitsmeldungen über Vorgänge in Indien, über plutokratische Auswüchse in England oder Amerika auszufüllen‘ [sic], das noch in den letzten Kriegsjahren vorhanden gewesene Vertrauen zur Presse und zum Rundfunk weitgehend untergraben. …


Ein weiterer Anlaß zu Mißtrauensäußerungen gegen die Führung wird aus dem Verhalten einzelner örtlich führender Persönlichkeiten von Staat und Partei der Unter- und Mittelstufe genommen. Obwohl die Maßnahmen der Reichsregierung im Grundsätzlichen gebilligt werden, stimmen doch viele tägliche Wahrnehmungen die Volksgenossen gegenüber den durchführenden Organen von Staat und Partei bedenklich.


So stelle die Bevölkerung z. B. fest, daß der Tausch- und Schleichhandel immer weiter um sich greife, oder daß der von der Führung propagierte totale Krieg nicht gerecht durchgeführt werde (so z. B. beim Frauenarbeitseinsatz, der Hausgehilfinnenfrage, der Wohnraumlenkung und vor allem bei den Uk-Stellungen) und daß ein Teil der führenden Persönlichkeiten aus Staat und Partei von den allen auferlegten Beschränkungen nicht voll getroffen werde (zit. nach: Boberach, Meldungen aus dem Reich 15, S. 6065).


Zugleich gingen mit der Verschärfung des äußeren Drucks ein Rückzug ins Private sowie eine Abkapselung nach außen und Beschränkung auf das Nächstliegende, die Sicherung des Überlebens, einher (Thamer, Verführung und Gewalt, S. 724).


Auch wenn der Zustrom zur NSDAP selbst während des Krieges nicht abriss und die Partei von 870.000 Mitgliedern im Jahre 1933 auf 6,5 Millionen Mitglieder im Jahre 1943 und auf 8 Millionen bei Kriegsende anwuchs, diskreditierte das selbstherrliche und korrupte Auftreten vieler Parteifunktionäre das Ansehen der NSDAP.


Allenfalls erkannte man die Anstrengungen der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV) an. Die NSV, der 1943 immerhin rund 17 Millionen Mitglieder angehörten, entwickelte sich in der zweiten Kriegshälfte gewissermaßen zu einem Logistikunternehmen für Evakuierungen. Der Transport und die Unterbringung sowie die Verpflegung von Luftkriegsgefährdeten und Luftkriegsgeschädigten, von Alten, Kranken, Kindern und Müttern gehörte zu ihren Aufgaben. Nach Luftangriffen richtete sie Suppenküchen für die betroffene Bevölkerung ein, organisierte Meldestellen für Vermisste und vieles mehr.


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