Wilhelm Freiherr von Pechmann


Wilhelm Freiherr von Pechmann wurde am 10. Juni 1859 in Memmingen geboren. Er stammte aus einer katholischen Familie, die im 17. Jahrhundert geadelt worden war. Gemäß dem Glauben seiner Mutter wurde der Sohn eines Juristen jedoch evangelisch getauft. Nach dem Schulbesuch in Memmingen und Augsburg studierte er in München zunächst klassische Philologie, dann Rechtswissenschaften. Nach Examen und Militärdienst stand er seit 1886 im Dienst der Bayerischen Handelsbank und stieg kontinuierlich vom Rechtskonsulenten bis zum Ersten Direktor (1937) bzw. zum Aufsichtsratsvorsitzenden (1939) auf. Neben der Arbeit für das Geldinstitut publizierte von Pechmann zum Bankenrecht und wirkte in Banken- bzw. Börsenverbänden in Bayern und im Reich.


Parteipolitisch engagierte sich von Pechmann vor dem Ersten Weltkrieg in der konservativ-elitennahen Deutschen Reichspartei. Am Krieg nahm er als Kompaniechef bzw. Bataillons-Kommandeur teil. Nach der deutschen Niederlage und der Revolution 1918 fand er kein positives Verhältnis zur weltanschaulich neutralen Parteiendemokratie. Statt dessen zeigte er in einer weit verbreiteten Publikation Sympathie für die Volkstumsideologie, in der der Staat als Zusammenschluss des Willens und der Kräfte des Volkes fungierte, „um in der eigenen Mitte alles Volkswidrige unschädlich zu machen und alles Volksmäßige zu pflegen" (Evangelisches Christentum, 334).


Von Pechmann sah aber im politischen Wandel große Chancen für eine kirchliche Verfassungsreform und eine konstruktive Neuausrichtung des Verhältnisses von Kirche und Staat in Bayern.


Als Mittelpunkt in von Pechmanns Leben darf die Arbeit für die bayerische Landeskirche gelten, für die er bereits 1913 mit dem Erlanger theologischen Ehrendoktor ausgezeichnet wurde. Das Gründungsmitglied des Christlichen Vereins Junger Männer in München gehörte seit 1901 der bayerischen Generalsynode an und leitete 1910 bzw. 1913 die sog. Steuersynoden. Weitere kirchliche Leitungsämter folgten: Von 1920 bis 1922 war von Pechmann Präsident der bayerischen Landessynode, 1919 Mitglied des Dresdener Kirchentages, von 1921 bis 1930 Präsident von vier Deutschen Evangelischen Kirchentagen und seit 1929 Mitglied des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses.


Auf ökumenischer Ebene war von Pechmann seit 1923 im Lutherischen Weltkonvent leitend aktiv. Er war zudem Mitglied des Fortsetzungsausschusses der Stockholmer Weltkirchenkonferenz und mehrerer Organisationen des Verbandsluthertums.


Von Beginn des Kirchenkampfes an begleitete von Pechmann den Kurs der bayerischen Landeskirche unter Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) wegen ihrer zu großen Kompromissbereitschaft sehr kritisch. Erster Höhepunkt der Auseinandersetzung war im Jahr 1933 sein Rücktritt aus dem Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss u. a. wegen dessen Schweigen zur Behandlung „nichtarischer“ Christen, die von Pechmann öffentlich kritisieren wollte.


1934 folgte eine wohl kalkulierte Symbolhandlung: Nachdem er diesen Schritt schon länger angedroht hatte, verkündete von Pechmann am 2. April gegenüber Reichsbischof Ludwig Müller (1883–1945) seinen Austritt aus der Reichskirche. Zur Begründung gab er an, sie habe aufgehört, Kirche zu sein. Im Juni 1936 wurde von Pechmann Mitglied der Bekennenden Kirche in Bayern.


Als Laie drang von Pechmann tief in die lutherische Theologie ein. Zugleich hatte er große Achtung für die katholische Kirche, deren Verfolgung durch den Nationalsozialismus er genau beobachtete und zum stetigen Anlass nahm, gemeinsame Proteste von evangelischer und katholischer Kirche gegen staatliches Unrecht zu fordern. Nach einem langen Prozess der theologischen Auseinandersetzung und des Leidens an der eigenen Kirche konvertierte von Pechmann im April 1946 zur römisch-katholischen Kirche. Im Juni 1946 empfing er von seinem langjährigen Korrespondenzpartner Kardinal Michael von Faulhaber (1869–1952) die Firmung. Von Pechmann verstarb am 10. Februar 1948 in München.


zurück zur Person zurück zur Person