Karl Steinbauer


Karl Steinbauer war der bedeutendste Gegner der kirchen- und christentumsfeindlichen Ideologie der Nationalsozialisten in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Zugleich war er ein unermüdlicher Kritiker des kompromissbereiten Kurses der bayerischen Kirchenleitung unter Landesbischof Hans Meiser (1881–1956). Durch sein mutiges und unerschrockenes Verhalten wurde er weit über Bayern hinaus bekannt.


Steinbauer wurde am 2. September 1906 in einer Pfarrfamilie im mittelfränkischen Windsbach geboren. Sein Vater Johann Steinbauer war Rektor am Windsbacher Progymnasium. Von 1927 bis 1931 studierte er evangelische Theologie in Erlangen, Königsberg und Tübingen. 1931 legte er sein 1. Theologisches Examen ab und wurde Vikar in Heiligenstadt bei Bamberg. Ab April 1932 absolvierte er ein Jahr als Kandidat im Nürnberger Predigerseminar. In seiner Kindheit und Jugend politisch noch deutschnational, völkisch und antisemitisch geprägt, wandte er sich 1932 entschieden von Hitler und der NSDAP ab. Am 1. April 1933 wurde er exponierter Vikar in der kommunistisch geprägten oberbayerischen Bergwerksstadt Penzberg, wo er seinen ersten selbstständigen Pfarrsprengel erhielt. Am 1. November 1934 heiratete er Eugenie Beckh, mit der er sechs Kinder bekam.


Steinbauer geriet seit 1933 in zahlreiche schwere Konflikte mit dem NS-Staat. Tief durch Luther und die Theologie Karl Barths (1886–1968) geprägt, wandte er sich kompromisslos gegen jede Vereinnahmung der Kirche durch die Nationalsozialisten und ihre antichristliche Ideologie. Während sich die Mehrzahl lutherischer Theologen auf Grund der Zwei-Reiche-Lehre dem NS-Staat unterordnete und anpasste, sah Steinbauer sich als ordinierter Pfarrer dazu verpflichtet, die politisch Verantwortlichen in Staat und Partei mit dem christlichen Wahrheitszeugnis zu mahnen und dem NS-Totalitätsanspruch entschieden den Totalitätsanspruch des Christusgehorsams gegenüberzustellen.


Steinbauers Eintreten für die ungehinderte Geltung des Christuszeugnisses im öffentlichen Leben war für die Nationalsozialisten von einer solchen politischen Brisanz, daß er als erklärter Staatsfeind nach Rede- und Aufenthaltsverboten wegen „staatszersetzender Hetze“ mehrfach ins Gefängnis und 1939 schließlich für achteinhalb Monate ins Konzentrationslager Sachsenhausen kam (Zitate: B. Hamm, Seite, 469). Sein kompromissloses Bekennen, das keine Rücksicht auf äußere Gegebenheiten nahm, kollidierte nicht weniger massiv mit dem vorsichtigen Taktieren der bayerischen Kirchenleitung unter Landesbischof Meiser, das auf den Bestand der intakten Landeskirche, den Erhalt der Kirchenleitung und den Schutz der kirchlichen Mitarbeiter gerichtet war. Im Februar 1934 kritisierte er erstmals öffentlich das Verhalten von Landesbischof Meiser.


Bei seinen Auseinandersetzungen mit Staat und Kirchenleitung fand Steinbauer mutige Unterstützung durch seine Frau Eugenie und den Penzberger Kirchenvorstand. Trotz der schweren Differenzen und wiederholter Zurechtweisungen war aber auch die Kirchenleitung bemüht, ihm bei seinen Konflikten mit dem NS-Staat zu helfen. 1938 erhielt er eine Stelle als Pfarrverweser in Ay/Senden im Dekanat Neu-Ulm. Um gegenüber Staats- und Parteistellen behaupten zu können, Steinbauer habe keine Pfarrstelle mehr, wurde ihm 1940 zwar die Verwesung der Pfarrstelle Illenschwang übertragen, diese Stelle galt aber rechtlich als nicht besetzt. Dass er damit nicht mehr Pfarrstelleninhaber, sondern faktisch nur noch Pfarrhausbewohner (K. Steinbauer, Zeugnis 4, 81) war, wurde Steinbauer selbst erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs bewusst.


Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager im Dezember 1939 wurde Steinbauer bereits im Januar 1940 zur Wehrmacht einberufen. 1941 nahm er am Russlandfeldzug teil, wurde 1943 schwer verwundet und konnte danach nur noch an der „Heimatfront“ eingesetzt werden.


Nach einer Weihnachtspredigt in Illenschwang und Sinnbronn wurde Steinbauer 1944 wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt. Der Kriegsgerichtsprozess endete mit Freispruch. Bei Kriegsende geriet er in Gefangenschaft, aus der er Ende September 1945 entlassen wurde. 1946 übernahm er eine Pfarrstelle in Lehengütingen bei Dinkelsbühl, 1947 zusätzlich einen Einsatz in Interniertenlagern. 1951 wurde er Pfarrer im oberbayerischen Wolfratshausen, 1962 in Pettendorf bei Bayreuth und 1967 in Amberg in der Oberpfalz. Auch nach dem Ende der NS-Herrschaft blieb das Verhältnis zwischen Steinbauer und der Kirchenleitung gespannt. Als ihm 1964 der Ehrentitel „Kirchenrat“ verliehen wurde, gab er ihn bald darauf wieder zurück.


1971 ging Steinbauer in den Ruhestand, den er für eine ausgedehnte Rede- und Vortragstätigkeit nutzte. In den 1980er Jahren dokumentierte er seine Auseinandersetzungen mit Staat und Kirchenleitung während der NS-Herrschaft und darüber hinaus in dem mehrbändigen Werk „Einander das Zeugnis gönnen“, dessen letzten Band seine Tochter Elisabeth Giesen und sein Schwiegersohn Martin Giesen noch kurz vor seinem Tod am 6. Februar 1988 vollendeten (K. Steinbauer, Zeugnis 1–4). Während die bayerische Kirchenleitung Steinbauers mutiges Verhalten während der NS-Herrschaft auch noch lange nach Kriegsende marginalisierte, gilt er heute als unbeugsamer und klarsichtiger Christuszeuge in verblendeter Zeit (B. Hamm, Seite, 456).


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