Der Kreisauer Kreis


Der Kreisauer Kreis, der sich seit Anfang 1940 um Helmuth James von Moltke und Peter Yorck von Wartenburg bildete, dürfte innerhalb der deutschen Widerstandsgruppen eine besondere politische und intellektuelle Denk- und Aktionsgruppe gewesen sein. Moltke, Yorck und Fritz-Dietlof von der Schulenburg hatten 1940 das Gespräch miteinander aufgenommen und erörtert, wie angesichts des Triumph des Bösen eine positive Staatslehre aussehen müsse. Im weiteren Verlauf bildete sich um Moltke und Yorck ein Kreis von ungefähr 20 Personen, die intensiv miteinander korrespondierten oder sich in wechselnden Zusammensetzungen besprachen. Zudem unterhielten Moltke und Yorck Kontakt zu mindestens 90 weiteren Personen, darunter die Bischöfe Konrad Graf von Preysing und Theophil Wurm.


Bei drei größeren Treffen auf dem niederschlesischen Gut Kreisau zu Pfingsten 1942, im Oktober 1942 und im Juni 1943 wurden grundsätzliche Fragen des Verhältnisses von Kirche und Staat, der Bildungs- und Wirtschaftspolitik, einer neuen Sozialordnung sowie der Außenpolitik erörtert. Überlegungen wurden zudem für eine neue europäische Gesamtordnung angestellt und eine Grundsatzerklärung zum Thema Deutsche Beteiligung an der Bestrafung für Schandtaten erarbeitet. Kreisau sei, so erinnerte sich Freya von Moltke, ein permanenter Dialog gewesen.


Den Kreisauern lag an einer politischen und geistigen Erneuerung Deutschlands, die sie eng mit einer europäischen Perspektive verbanden. Der Einzelne, das Individuum, sollte in freier Selbstbestimmung in die Lage versetzt werden, an den politischen Vorgängen zu partizipieren. Der Staat sollte von unten – von überschaubaren Selbstverwaltungseinheiten – her aufgebaut werden, womit eine Absage an den traditionellen Obrigkeitsstaat gegeben war. Die Kreisauer wollten keine Restauration – weder der Monarchie noch der Weimarer Republik –, vielmehr waren ihre sozialpolitischen Vorstellungen stark sozialistisch geprägt und ihre außenpolitischen Überlegungen zielten auf eine europäische Integration. Basis für die Erneuerung war ihnen dabei die christlich-humanistische Weltanschauung.


Die Kreisauer beteiligten sich nicht an konkreten Umsturzplänen. Sie wollten ihren Beitrag dazu leisten, dass nach einem Umsturz Reformpläne vorlagen, die einen Neubeginn ermöglichten. Allerdings waren einzelne Mitglieder in die praktischen Vorbereitungen eines Umsturzes involviert. Im Übrigen wurde unter den Kreisauern die Frage eines Attentats auf Hitler kontrovers diskutiert.


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