Huch: Protest gegen Gleichschaltung der Akademie


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Die Schriftstellerin Ricarda Huch (1864–1947) stammte aus einer kulturprotestantischen Familie und entwickelte sich nach einer Lebenskrise um 1912 zu einer bewussten evangelischen Christin, wie es auch in ihrem Buch „Luthers Glaube in Briefen an einen Freund“ von 1916 zum Ausdruck kam.


Huch wandte sich schon früh gegen antisemitische Tendenzen in Deutschland. Im Mai 1930 unterzeichnete sie zusammen mit Thomas Mann, Oskar Maria Graf u. a. ein „Mahnwort“ gegen den Antisemitismus, das auf dem Titel der „Abwehr-Blätter“ (Jg. 40, Nr. 5) erschien. Darin wurden die Deutschen auf die „Pflicht zu Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit, zu religiöser und sozialer Ethik, mit der die Betätigung des Judenhasses unvereinbar“ sei, hingewiesen.


Kurz nach der „Machtergreifung“ Hitlers forderte der preußische Kultusminister Bernhard Rust den Ausschluss der politischen Gegner, darunter Käthe Kollwitz und Heinrich Mann, aus der Preußischen Akademie der Künste. Wenig später legte der nationalsozialistische Präsident der Akademie den Mitgliedern eine zu unterschreibende Erklärung vor, in der jegliche öffentliche politische Betätigung gegen die Regierung ausgeschlossen wurde (J. Bendt/K. Schmidtgall, Ricarda Huch, 326). Nun traten weitere Autoren und Künstler aus der Akademie aus.


Die renommierte Ricarda Huch protestierte sofort gegen die Gleichschaltung der Akademie. Der nationalsozialistische Akademiepräsident wollte sie aber weiterhin zu den Unsern zählen (J. Bendt/K. Schmidtgall, Ricarda Huch, 326). Daraufhin schrieb Ricarda Huch: Ich kann aber dieses Ja um so weniger aussprechen, als ich verschiedene der inzwischen vorgenommenen Handlungen der neuen Regierung aufs schärfste mißbillige (24. März 1933) (C. Koepcke, Huch, 247f.). Die Nationalsozialisten meinten, sie könnten Huch in ihre Nähe bekommen, doch sie erklärte nun: Was die jetzige Regierung als nationale Gesinnung vorschreibt, ist nicht mein Deutschtum. Die Zentralisierung, den Zwang, die brutalen Methoden, die Diffamierung Andersdenkender, das prahlerische Selbstlob halte ich für undeutsch und unheilvoll. Am 1. April 1933 hatte sie in Heidelberg die Boykott-Hetze gegen jüdische Geschäfte erlebt. Jetzt erklärte sie: Ich möchte wünschen, daß alle nicht-jüdischen Deutschen so gewissenhaft suchten, das Richtige zu erkennen und zu tun, so offen, ehrlich und anständig wären, wie ich ihn [den als Juden verfolgten Alfred Döblin] immer gefunden habe (9. April 1933). Die Presse war noch nicht gleichgeschaltet, doch Veröffentlichungen über den Austritt von Ricarda Huch wurden behindert.


1936 bis 1947 lebte Ricarda Huch mit ihrer Tochter Marietta und Schwiegersohn Franz Böhm in Jena in der inneren Emigration. Sie entwickelte ein umfangreiches Netzwerk von Gegnern des Nationalsozialismus (Berlin: Ernst von Harnack, Helmut Gollwitzer; Freiburger Kreis; Heidelberg: Marie Baum, Elisabeth von Thadden; Kreisauer Kreis: Peter Yorck von Wartenburg; Leipzig: Karl Goerdeler).


Quelle / Titel


  • © Preußische Akademie der Künste, 0807_Bl_82 1 (Abdruck: J. Bendt/K. Schmidgall, Ricarda Huch, 1994).

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