Protest gegen deutsch-christliche Opfertheologie


  • 1tes Bild zum Dokument
    Bildlupe

Am 7. März 1934 erreichten Pakete mit Flugblättern die evangelischen Pfarrämter Thüringens. Darin enthalten war ein Aufruf der Eisenacher Kirchenleitung, Passionsandachten in den Gemeinden zu halten mit der Begründung: Der Tod der Millionen auf dem Schlachtfeld, das Leiden der Millionen in den Lazaretten, in der Heimat, der Leidensweg der Nationalsozialistischen Bewegung, das Sterben der Hunderte im Braunhemd, das Blut der vierzigtausend verwundeten nationalsozialistischen Kämpfer haben uns das Auge geöffnet für das tiefste und wirksamste Geheimnis des Lebens: das Opfer […] In diesem Leiden und Sterben, in diesem Kreuz redet Gott, redet das letzte Geheimnis des Lebens erschütternd und erlösend zu uns.


Pfarrer Walter Korth schickte die Flugblätter nach Eisenach zurück, weil er keine Flugblätter mit unchristlichen Gedanken in seiner Kirchengemeinde verteilen lassen wollte. Ihn reizte die Gleichsetzung von Soldatentod und Tod Christi zum Widerspruch: Auch das tapferste Leiden und Sterben, selbst ein solches für das Vaterland, bleibt ein Leiden und Sterben eines sündhaften Menschen und kann nie, auch nicht entfernt, die Bedeutung haben wie das Kreuz unseres Heilandes.


Der Landeskirchenrat reagierte auf den Widerspruch hart. Er versetzte Pfarrer Walter Korth nach Verhör und Verhandlungen in den Wartestand. Für die deutschchristliche Kirchenleitung war ausschlaggebend, dass Korth sich einer Anordnung des Landeskirchenrates, also der vorgesetzten Behörde, widersetzt hatte. Auf eine theologische Auseinandersetzung ließ sich die Kirchenleitung nicht ein. Den gegen ihn erhobenen Vorwurf, er sei der einzige Pfarrer Thüringens, der dem Flugblatttext widerspräche, nahm Pfarrer Korth gelassen entgegen. Jeder müsse hier seine eigene Entscheidung treffen. Für den evangelischen Christen sei die einzige Richtschnur das an den Herrn Christus gebundene Gewissen (Landeskirchenarchiv Eisenach, Personalakte Korth, Bl. 78). Da er der einzige Pfarrer in Thüringen blieb, der gegen das Passionsflugblatt Stellung bezogen hatte, verhallte sein Protest weitgehend unbemerkt. Mit Pfarrer Walter Korth solidarisierte sich ein kleiner Teil der evangelischen Gemeinde, die sich von der offiziellen Kirchengemeinde abspaltete und mit etwa 100 Mitgliedern die Bekennende Gemeinde Probstzellas bildete. Sie unterstellte sich später der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft.


Quelle / Titel


  • © Stiftung Lutherhaus Eisenach, Nachlass Walter Köhler