Widerstand gegen die Kirchenwahlen 1937


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Am 15. Februar 1937 ordnete Hitler überraschend Kirchenwahlen an. Eine Generalsynode sollte eine neue Verfassung für die zerstrittene Deutsche Evangelische Kirche ausarbeiten. Mit der Wahlvorbereitung wurde Reichskirchenminister Hanns Kerrl beauftragt.


Damit sollte der Eindruck erweckt werden, als wolle der Staat der evangelischen Kirche ermöglichen, sich in völliger Freiheit selbst eine neue Ordnung zu geben. Ein geschickter Schachzug Hitlers. Tatsächlich aber erhoffte sich die nationalsozialistische Führung, dass sich die rivalisierenden kirchlichen Gruppen in der Generalsynode restlos zerstreiten und die evangelische Kirche schließlich ganz dem Staat ausliefern würden.


Hitlers Anordnung löste bei den kirchlichen Verantwortlichen, ausgenommen den Deutschen Christen, schlimmste Befürchtungen aus. Zu frisch war die Erinnerung an die Wahlen von 1933, bei denen die Deutschen Christen mit massiver Unterstützung der NS-Propaganda haushoch gewonnen hatten.


Zu groß war auch die Gefahr, dass der Staat eine völlig unkirchliche Wahlordnung durchsetzen und damit das Wahlergebnis vorprogrammieren würde. In der Bekennenden Kirche befürchtete man, nach den Wahlen endgültig mit Deutschen Christen und Anhängern neuheidnischer Glaubensrichtungen in eine gemeinsame Kirche ohne christliches Bekenntnis gezwungen zu werden.


Angesichts der Aussicht auf die Errichtung einer „Kirche“, die als Propagandaabteilung des NS-Staates dienen sollte, schlossen sich die seit 1936 völlig zerstrittenen beiden Teile der Bekennenden Kirche zu einem Aktionsbündnis zusammen. Um den kirchlichen Charakter der Wahl zu sichern, wurde versucht, durch zahlreiche Eingaben an das Reichskirchenministerium Einfluss auf die Wahlordnung zu nehmen. Im Zentrum dieser Eingaben stand die Ankündigung, dass eine Wahl, an deren Ende die Abschaffung der christlichen Glaubensgrundlage der Kirche stehen würde, keine kirchliche Anerkennung finden werde.


Die Gemeinden wurden durch Flugblätter und Kundgebungen, in Gottesdiensten und Informationsveranstaltungen über die Tragweite der Wahlen informiert. Nach geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes sprachen viele Pfarrer in ihren Predigten aus, dass es um die Entscheidung zwischen dem lebendigen Gott oder Göttern und Götzen ginge.


Andere, wie ein Pfarrer aus Buckow (Märkische Schweiz), wagten es, die Wahlen offen als unzulässigen Staatseingriff zu kritisieren, denn diese Wahl sei, wie die vom Juli 1933, vom Staat aufgezwungen worden und habe mit einer Kirchenwahl nichts gemein. Für den Fall, dass die Wahllisten solche Herren wie Reichskirchenminister Kerrl enthalten würden, kündigte ein Pfarrer aus Welzow (Brandenburg) Wahlsabotage an.


Die von Hitler verkündete völlige Freiheit der Wahl erwies sich schnell als Lüge: Überall versuchten Parteifunktionäre den Wahlausgang zu beeinflussen. Den Deutschen Christen wurden Wahlveranstaltungen erlaubt, der Bekennenden Kirche nicht. Der kirchlichen Presse wurde die Berichterstattung zur Wahl verboten. Durch zahlreiche Verordnungen versuchte das Reichskirchenministerium die legalen Kirchenleitungen des „gemäßigten“ Flügels der Bekennenden Kirche handlungsunfähig zu machen. Zugleich brach über die „radikale“ Bekennende Kirche eine Verhaftungswelle bisher nicht gekannten Ausmaßes herein.


Über Form und Zeitpunkt der Wahlen ließ der Staat monatelang nichts verlauten. Als sich im Frühsommer Gerüchte verdichteten, die Wahlen stünden unmittelbar bevor, beschloss die altpreußische Bekennende Kirche in einer Erklärung vom 17. Juni 1937, die Gemeinden am Wahltag zum Wahlboykott aufzurufen. Wenige Tage später wurden zahlreiche führende Mitglieder der altpreußischen Bekennenden Kirche in der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin von der Gestapo verhaftet.


Die Kirchenwahlen fanden niemals statt. Die Schuld daran wies Reichskirchenminister Kerrl im Herbst 1937 der evangelischen Kirche zu.


Quelle / Titel


  • ©Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, KK-B 368:13

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