In den Ruhestand gezwungen


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Magdalene Thimme gehörte zu den Menschen, die sich schon früh mit den Inhalten und Zielen nationalsozialistischen Denkens auseinandersetzten. Schon 1932 las sie Hitlers programmatisches Buch Mein Kampf sehr gründlich. Auch Alfred Rosenbergs Mythos des 20. Jahrhunderts hatte sie gelesen. So erkannte sie eher als viele Zeitgenossen, was – nicht nur – auf die Deutschen bei einem Wahlsieg der NSDAP zukommen würde. Als nach der Machtübernahme Hitlers die Deutschen Christen in die Kirchengemeinden einzogen, suchte sie gemeinsam mit ihrer Schwester Gertrud nach einem geistlichen Ort, an dem man sich diesen widersetzte. Sie fanden ihn im Südbezirk der St. Stephani Gemeinde in Bremen mit ihrem Pastor Gustav Greiffenhagen (1902–1968).


Magdalene Thimme unterrichtete seit April 1913 am Kippenberg-Gymnasium der Hansestadt Deutsch, Englisch und Religion. Schlagartig bekannt wurde sie mit einem Vortrag in der Schule zu den Feiern zu Martin Luthers 450. Geburtstag am 10. November 1933. Im Gegensatz zum offiziellen Lutherbild als deutscher Kämpfer und Vorläufer Bismarcks und Hitlers stellte sie den Reformator als Suchenden, Verzweifelnden und schließlich demütig Erkennenden dar: Evangelisch und protestantisch von Luther aus gesehen (Dezember 1933, Schreibmaschinenmanuskript im Gemeindearchiv St. Stephani). Sie bezog die Hinwendung zum Nächsten, die Eigenständigkeit der Gemeinde im festen Glauben an Gottes Gnade und ihren Widerstand gegen Einmischung und Gewalt von außen auf die Gegenwart und stellte damit ein Kontrastprogramm zur offiziellen Luther-Lesart auf: der Protestant als Protestierender aus Gewissensfreiheit. Der Vortrag wurde im Gemeindeblatt von St. Stephani nachgedruckt und machte die hellsichtige Lehrerin in der Gemeinde schlagartig bekannt.


Thimme weigerte sich, in den NS-Lehrerbund einzutreten, da dieser die nationalsozialistische Weltanschauung vertrete wie sie im Mythos des 20. Jahrhunderts von Alfred Rosenberg (1893–1945) festgehalten sei. Dem könne sie nicht zustimmen. Ebenso weigerte sie sich, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt beizutreten, da diese sich nicht für unheilbar Kranke und Nichtarier einsetze. Damit war sie für die Nationalsozialisten als Lehrerin nicht mehr tragbar. Man bezweifelte zu Recht, dass sie Jugendliche im Sinne des Nationalsozialismus erziehen würde. Der Senator für das Bildungswesen forderte ihre Pensionierung und der Bürgermeister schloss sich mit Entschiedenheit an. Unter Berufung auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde Magdalene Thimme am 18. September 1937 in den Ruhestand versetzt. Sie erhielt drei Viertel der ihr zustehenden Pension. Allerdings arbeitete sie auf Betreiben des Direktors am Kippenberg-Gymnasium noch eineinhalb Jahre weiter mit der Begründung, dass sie ihre Klasse noch bis zum Abitur führen sollte.


Quelle / Titel


  • © 1+2: Gemeindearchiv St. Stephani Bremen

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