SS-Polemik wegen eines Poesiealbumeintrages


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Pfarrer Friedrich Müller hatte 1936 der Konfirmandin Johanna Boecker folgenden Text ins Poesiealbum geschrieben:
Dem Vaterlande, nicht der Partei!
Der Dienst am Vaterlande macht groß und frei,
der Dienst der Partei eng und klein, unwahrhaftig und ungerecht.
Das Vaterland braucht Charaktere, die Partei fürchtet und hindert sie.
Soviel Dir das Vaterland höher steht als die Partei,
soviel steht Dir der Volksgenosse höher als der Parteigenosse.
Zur steten Erinnerung und Beherzigung


Die Zeitung der SS „Das Schwarze Korps“ druckte am 23. September 1937 den Text mit einem bösartigen Kommentar ab. Dort hieß es: Augenblicklich befindet sich der Pastor Dr. Müller in Schutzhaft und trainiert auf Märtyrer.


Diese Zeitungsausgabe lag der Emigrantin Erika Mann, der Tochter Thomas Manns, in New York vor. In ihrer Abrechnung mit dem Bildungssystem der NSDAP „Zehn Millionen Kinder“ (Amsterdam 1938) zitierte sie den Vorgang um den Albumeintrag. Ihre Verwunderung galt der Tatsache, dass ein so entlegener Vorgang wie der Eintrag in das Poesiealbum einer Konfirmandin von der Nazipropaganda mit solcher Feindseligkeit, ja brutaler Drohung hochgespielt wurde. Ihr Kommentar: Holt der ‚Feind‘, der seit langem am Boden liegt, zu einer Winzigkeit von Gegenschlag, zu nicht viel mehr als einer zuckenden Reflexbewegung aus, - gleich prasseln die Maschinengewehre des gewaltigen Angreifers auf ihn ein (S. 195).


 


Quelle / Titel


  • Das Schwarze Korps. Zeitung der SS, 23.9.1937

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