Widerstand gegen die „Aktion Euthanasie“


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    Lothar Kreyssig um 1942
    © Archiv des Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums der EKM

In seinem Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die sogenannte Euthanasie war der Brandenburger Richter Lothar Kreyssig eine große Ausnahme.


Als Vormundschaftsrichter erfuhr Kreyssig im Frühsommer 1940 von systematischen Tötungen behinderter Menschen. In einem Schreiben vom 10. Juli 1940 protestierte er gegenüber dem Reichsjustizminister Franz Gürtner: Ich muss also annehmen, dass geisteskranke und geistesschwache Insassen von Heil- und Pflegeanstalten unter mir nicht näher bekannten Gesichtspunkten ausgewählt, in eine andere Anstalt verbracht und dort wider Gesetz und Recht und unter Vortäuschung eines natürlichen Endes vom Leben zum Tode gebracht werden. [...] Die Frage nach dem Sinn solchen Lebens rührt an die tiefsten Daseinsfragen überhaupt. Sie führt unmittelbar auf die Frage nach Gott. Die Stellung zu ihr ist daher vom Glauben wesentlich bestimmt. Vom christlichen Glauben her ist die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ ein schwerer Gewissensanstoß. Leben ist ein Geheimnis Gottes. [...] Die Meinung, Menschenleben beenden zu dürfen, weil die beschränkte Vernunft es nicht oder nicht mehr als sinnvoll begreift, ist daher Anmaßung und Empörung gegen Gott (Archiv des Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums der EKM, Kopie PA Lothar Kreyssig, S. 17).


Nach Vorladungen ins Reichsjustizministerium unter anderem durch Staatssekretär Roland Freisler verbot Lothar Kreyssig am 27. August 1940 die Verlegung ihm unterstellter Pfleglinge in andere Heime, um die Tötungen zu verhindern. Er erstattete zeitgleich Strafanzeige wegen Mordes gegen den von Hitler eingesetzten Verantwortlichen für die „Euthanasie-Aktion“, den Reichsleiter der NSDAP und Chef der Kanzlei des Führers Philipp Bouhler.


Am 13. November 1940 wurde Kreyssig auch von Reichsjustizminister Gürtner vorgeladen. Gürtner legte ihm ein Ermächtigungsschreiben Hitlers als alleinige „Rechtsgrundlage“ für diese umfassende Mordaktion vor. Führerwille schaffe kein Recht, bekannte Kreyssig und erkannte die vorgelegte „Rechtsgrundlage“ nicht an. Im Dezember 1940 wurde Kreyssig vom Richteramt beurlaubt und im März 1942 auf Verfügung Hitlers in den Ruhestand versetzt.


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