Mittäterschaft am Holocaust


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Im Frühjahr 1939 gründeten die deutschchristlichen Kirchenleiter das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“. Die Einweihung fand am 6. Mai 1939 auf der Wartburg in Eisenach statt.


Die Aufgabe dieses antisemitischen kirchlichen Instituts bestand darin, die jüdischen Einflüsse auf das christlich-kirchliche Leben durch „wissenschaftliche“ Erforschung systematisch auszumerzen und eine spezifisch germanisch-deutsche Frömmigkeit zu fördern. Ziel war eine Neuaufnahme des unverfälschten Evangeliums durch den Menschen des Dritten Reiches, wie Friedrich Werner, Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats Berlin, in seiner Eröffnungsansprache verkündete.


Die wissenschaftliche Leitung des Instituts übernahm der Jenaer Professor für „Völkische Theologie“ Walter Grundmann, ein radikaler Deutscher Christ, der bereits 1933 die Einführung des „Arierparagraphen“ in der evangelischen Kirche gefordert hatte und bestritt, dass Jesus Jude war.


In seinem Eröffnungsvortrag: „Die Entjudung des religiösen Lebens als Aufgabe deutscher Theologie und Kirche“ entwarf er das Forschungsprogramm des Instituts, das eine verheerende Vermischung von wissenschaftlicher Theologie und NS-Rassenideologie darstellte. Rund zweihundert Kirchenleiter, Pfarrer, Hochschullehrer und akademische Theologen fanden sich zur Mitarbeit bzw. Unterstützung des Instituts bereit.


Aus dem Institut ging 1941 ein „entjudetes“ Neues Testament mit dem Titel „Die Botschaft Gottes“ hervor, in dem sämtliche Bezüge auf das Alte Testament gestrichen waren. Im selben Jahr erschien der Katechismus „Deutsche mit Gott“, der eine Neufassung der Zehn Gebote enthielt.


Das Institut beschränkte sich jedoch nicht auf „wissenschaftlich“-theologische und praktisch-kirchliche Arbeit, sondern kooperierte eng mit NS-Einrichtungen wie dem „Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschland“, das in München eine „Forschungsabteilung Judenfrage“ unterhielt, und dem „Institut zur Erforschung der Judenfrage Frankfurt a. M.“. Walter Grundmann lieferte außerdem Gutachten an das Reichssicherhauptamt, das mit der „Endlösung der Judenfrage“ befasst war.


Auch wenn es nur von einer Minderheit radikaler Deutscher Christen getragen wurde, ist es erschreckend, dass ein derartiges Institut in der evangelischen Kirche überhaupt möglich war. Über den christlichen Antijudaismus der Mehrheit des deutschen Protestantismus hinaus vertrat es den rassisch-biologistischen Antisemitismus der Nationalsozialisten.


Während fast die gesamte evangelische Kirche durch ihr Schweigen zu den Nürnberger Gesetzen und zum Novemberpogrom sowie die Amtshilfe bei den „Ariernachweisen“ Mitverantwortung für die Ausgrenzung und Entrechtung der Juden trug, machte sich das Eisenacher Institut der Mittäterschaft bei der Judenvernichtung schuldig.


Quelle / Titel


  • ©Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte München, KK B-410:23

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